Nach zwölf Jahren an der Macht in Russland rüstet sich Putin für seine umstrittene Rückkehr in den Kreml. Unter den fünf Kandidaten bei der Präsidentenwahl hat er die besten Chancen, die Atommacht für die nächsten sechs Jahre zu führen. Doch es gibt Gegenwind.

Moskau. Nicht einmal die vier Gegner des russischen Regierungschefs Wladimir Putin zweifeln ernsthaft an dessen Sieg bei der Präsidentenwahl am 4. März. Dass der 59-Jährige, der seit mehr als zwölf Jahren das größte Land der Erde lenkt, wieder gewinnt, gilt als gesetzt – unabhängig von der Dauerdebatte, ob diesmal die Abstimmung fair und frei abläuft. Putin will die Atom- und Energiegroßmacht nach einer Verfassungsänderung unter Amtsinhaber Dmitri Medwedew nun erstmals sechs und damit zwei Jahre länger als bisher führen. Doch politisch gilt Putin als angeschlagen. Der frühere Geheimdienstchef sieht sich seit seinem Machtantritt mit den schwersten Protesten seiner politischen Karriere konfrontiert. Auslöser war die von Fälschungsvorwürfen überschattete Parlamentswahl Anfang Dezember. Dabei bekam die von Putin geführte Regierungspartei Geeintes Russland den Sieg zugesprochen. Es blieb aber ein umstrittenes Ergebnis, das seine Schatten auch auf diese Präsidentenwahl wirft.

Die Mehrheit der Russen glaubt Umfragen zufolge nicht an eine saubere Abstimmung. Menschenrechtler und Oppositionelle haben die Wahl bereits vorab per Memorandum als „unrechtmäßig“ verurteilt. Nach dem Ausschluss des prominenten Oppositionskandidaten Grigori Jawlinski sehen sie keinen fairen Wettkampf. Kremlgegner haben bereits für den Tag nach der Wahl neue Proteste angekündigt. Die Mehrheit der Beobachter geht inzwischen davon aus, dass Putins Machtlager ihm einen Sieg im ersten Wahlgang sichern wird. Putin selbst hatte auf die am heißesten diskutierte Frage gesagt, dass eine zweite Runde auch eine weitere Destabilisierung für das Land bedeute. Um Stärke vor allem auch nach innen zu zeigen, inszenierte sein Machtlager Pro-Putin-Massenkundgebungen in vielen Städten.

Staatliche Meinungsforscher präsentieren fast täglich steigende Zustimmungswerte für Russlands „starken Führer“, wie er auf den Wahlplakaten genannt wird. Putins vier Mitbewerber dagegen gelten als chancenlos. Sie vermeiden direkte politische Angriffe und Kampfansagen gegen Putin. Das einzige neue Gesicht dieser Wahl ist der Multimilliardär Michail Prochorow (46), der aber kaum als Politiker wahrgenommen wird. Kommunistenchef Gennadi Sjuganow (67), der Ultranationalist Wladimir Schirinowski (65) von der Liberaldemokratischen Partei Russlands sowie Sergej Mironow (59) von der linkskonservativen Partei Gerechtes Russland haben bereits in früheren Wahlen verloren.

Stets aufs Neue lenkt Putin den Blick auf die Zeit vor seinem Machtantritt, als das Land Ende der 1990er Jahre am Boden lag. Er warnt vor neuem Chaos, vor einer Krise, sollte nicht er, sondern ein anderer das größte Land der Erde führen. Kommentatoren kritisieren bisweilen diesen rückwärtsgewandten Stil des früheren KGB-Offiziers, den Wählern Angst zu machen. Putins Thema ist die Stabilität. Das Staatsfernsehen zeigt ihn oft stundenlang beim Einsatz für sein Land. „Gemeinsam für ein großes Russland!“ – ist auf seinen Plakaten auf den in diesem Extremwinter eingeschneiten Straßen vielerorts zu lesen. Regierungskritische Medien hingegen wie der Radiosender Echo Moskwy und die Zeitung „Nowaja Gaseta“ beklagen einen nie dagewesenen Druck von Behörden.

Putin berührt bei Gesprächsrunden mit Studenten, Militärs und Funktionären viele brennende Themen wie Armut und Bürokraten-Arroganz an. Er erhöhte kurz vor der Abstimmung Renten und Einkünfte vor allem von Militärs und Polizei. Immer montags breitet er in einer anderen Zeitung seitenweise seine Zukunftsvisionen aus – von einem besseren Investitionsklima, mehr Sozialstaat und Demokratie und von einem modernen und mit Kernwaffen hochgerüsteten Staat. Doch fragen viele, warum er all das nicht schon früher als Präsident von 2000 bis 2008 und nun als Regierungschef geleistet habe. Offen ist auch die Frage, wie der russische Sozialstaat mit der extremen Armut vieler Menschen auf Dauer zu finanzieren ist.

Zwar kann Russland eine im Vergleich etwa zu Deutschland geringe Staatsverschuldung, ein Wirtschaftswachstum von zuletzt 4,2 Prozent und gigantische Währungsreserven vorweisen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 6,3 Prozent. Das ganze System fußt aber, wie etwa auch der Kandidat Prochorow als ausgewiesener Finanzexperte immer wieder betont, nur auf Gewinnen aus den Öl- und Gasgeschäften des Staates. Experten fordern seit langem eine grundlegende Modernisierung und die Einführung neuer Technologien in den oft noch sowjetisch geprägten Staatsbetrieben sowie politische Reformen. Doch so sehr Putin mit Worten immer wieder Problembewusstsein bewiesen habe, kommentiert die Zeitung „Kommersant“ in einer großen Analyse unter dem Titel „Kandidat Nummer 1“, so sehr seien seine Taten immer nur auf eins gerichtet: Die Festigung seiner Macht.

(dpa)