GESUNDHEIT

Kassenvorstand

Rebscher sieht aber auch keinen Spielraum für Beitragssenkung.

Günther Hörbst

Hamburg

Herbert Rebscher war an diesem Morgen einigermaßen erzürnt. Der Vorstand der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) hatte aus den Medien erfahren: Seine wie alle übrigen großen Kassen (Barmer, Techniker, AOK) müßten ihre Beitragssätze wegen der schwierigen Finanzlage womöglich 2006 erhöhen. "Das entbehrt jeder Grundlage", schimpfte Rebscher im Gespräch mit dem Abendblatt. "Unsere Beitragssplanung ist bis 2006 hinein stabil. Der Beitragssatz der DAK wird keinesfalls steigen."

Auch Barmer, Techniker und AOK wiesen die Spekulationen zurück. "Das steht überhaupt nicht zur Debatte", sagte Techniker-Sprecherin Dorothee Meusch. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte zuvor weitere Senkungen angemahnt. Immerhin hätten die Kassen in den ersten drei Monaten des Jahres einen Überschuß von 156 Millionen Euro verzeichnet. Beitragssatzsenkungen könnten nicht "mit spekulativen Hinweisen auf Finanzrisiken in 2006 oder 2007 unterbleiben", sagte die Ministerin.

Das sieht Rebscher freilich anders. "Neueste Schätzungen von Finanzrisiken und Wachstumsraten in diesem und dem kommenden Jahr haben den Spielraum für Beitragssenkungen erheblich reduziert", sagte der DAK-Vorstand. "Zum 1. Juli 2005 die Beiträge zu senken, wäre in der aktuellen Lage für viele Kassen im Hinblick auf das nächste Jahr unseriös gewesen." Denn das hätte nur dazu geführt, daß 2006 neue Defizite entstanden wären. "Das kann man keinem Versicherten erklären."

Für den Kassenchef ist es zudem durch die Neuwahl im Herbst "völlig unkalkulierbar", was im Jahr 2006 politisch passiert. "Da gibt es viele Unbekannte", sagt Rebscher. Der wahrscheinliche Regierungswechsel zu einer Union-FDP-Koalition werde seiner Meinung nach aber keine "gesundheitspolitische Richtungsentscheidung" werden. "Die großen Herausforderungen bei der Steuer- und Haushaltspolitik werden dafür sorgen, daß Union und FDP die Finger von weiteren finanzpolitisch schwierigen Kapiteln wie einem Systemwechsel im Gesundheitswesen lassen werden."

Das Prämienmodell der Union nennt Rebscher "unausgegoren". Damit werde sich die Partei wohl kaum zum Wähler trauen. Es würden vielmehr zahlreiche Projekte im Gesundheitswesen, die noch von Rot-Grün angeschoben wurden, von einer neuen Regierung nicht mehr umgesetzt werden. Bei den Kassen weiß derzeit freilich noch keiner so recht, welche das sein werden. Vor allem aber: Wie wird es eine neue Regierung machen. All das sind Unwägbarkeiten, die auch die Planung für 2006 erschweren. Sicher ist Rebscher nur, daß das "Präventionsgesetz tot ist". Das Gesetz wurde kürzlich vom Bundesrat abgelehnt und in den Vermittlungsausschuß verwiesen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung liegt es nun erst mal auf Eis.

Der DAK-Vorstand richtet an die neue Regierungsmannschaft vor allem eine Forderung: die geplante Reform des Risikostrukturausgleich (RSA) endlich umzusetzen. "Denn so kann es nicht weitergehen", sagt Rebscher. Sollte die neue Regierung die Reform stoppen, könnte es 2006 große Finanzprobleme für viel Kassen geben.

Der RSA ist eine riesige Geldumverteilungsmaschine innerhalb der rund 270 gesetzlichen Krankenkassen. Kassen mit viel Geld, so der ursprüngliche Plan, überweisen den Kassen mit wenig Geld soviel, daß alle unter dem Strich wieder ungefähr gleich viel haben. So soll die Chancengleichheit im Wettbewerb gewahrt bleiben. Inzwischen ist aber alles gewahrt, nur nicht mehr die Chancengleichheit.

Denn durch allerlei unsinnige Regelungen profitieren vor allem jene Kassen, die besonders gesunde und junge Versicherte haben. Ältere und Kranke wollen viele Kassen nur noch ungern aufnehmen. Rebscher fordert: "Diese Systematik muß dringend abgeschafft werden."