“Vatileaks“-Affäre: Anklage gegen Kammerdiener des Papstes wegen unerlaubten Besitzes von geheimen Unterlagen erhoben. Diener soll Komplizen gehabt haben.

Vatikanstadt. War es der Butler? In einer hollywoodreifen Wende in einem schmutzigen Skandal um Machtkämpfe, Intrigen und Korruption in den höchsten Ebenen der katholischen Kirche wurde nun der Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. festgenommen. Er soll der Maulwurf im „Vatileaks“-Fall sein. Der Vatikan bestätigte die Festnahme von Paolo Gabriele am Sonnabend. Zugleich weiteten die Ermittler ihre Untersuchungen aus und gehen nun der Frage nach, ob der 46-jährige Paolo Gabriele Komplizen hatte. Der am Mittwochabend verhaftete Vater dreier Kinder wird beschuldigt, seit Jahresbeginn brisante Dokumente, in denen es unter anderem um Vorwürfe der Korruption und des Missmanagements ging, an Medien weitergegeben zu haben. In Anlehnung an das Enthüllungsportal Wikileaks ist von "Vatileaks" die Rede.

+++ Chef der Vatikanbank entlassen – Festnahme im Fall "Vatileaks" +++

Wie der Vatikan am Sonnabend mitteilte, ist Gabriele mit Erhebung der Anklage nun formell Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Gabriele, der sich zwei Anwälte genommen habe, erwarte ein faires Verfahren gemäß dem Strafrecht des Kirchenstaates. Weil der Vatikan kein eigenes Gefängnis betreibt, wird der Butler des Papstes in einer von drei Arrestzellen des päpstlichen Polizeiwache festgehalten. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft, die er gemäß einer Vereinbarung zwischen Italien und dem Vatikan in einem italienischen Gefängnis verbüßen müsste.

Der Papst soll entsetzt auf die Nachricht reagiert haben, dass ein Mitarbeiter aus seiner engsten Umgebung verhaftet wurde. Der Kammerdiener arbeitete in Benedikts Wohnung im Apostolischen Palast. In dieser Vertrauensstellung hatte er Zugang zu den streng abgeriegelten Privaträumen des Kirchenoberhauptes und war mit den Vorgängen dort bestens bekannt. Er bediente den Papst bei Tisch, begleitete ihn im Papamobil und überreichte Würdenträgern, die das Kirchenoberhaupt aufsuchen, den Rosenkranz.

+++ Vatikan ermittelt gegen Kammerdiener des Papstes +++

Benedikt hatte mehrere Ermittlungsverfahren angeordnet, die unter anderem von der vatikanischen Polizei und von einer Kardinalskommission geleitet wurden. Italienische Medien waren seit Anfang des Jahres mit Interna versorgt worden: Teilweise handelte es sich um persönliche Briefe an den Papst. In einigen Unterlagen ging es um Vorwürfe der Korruption, des Missmanagements, der Vetternwirtschaft und um Kritik an der Führung der Vatikan-Bank. Deren Präsident Ettore Gotti Tedeschi war am Donnerstag entlassen worden.

Es sei eine traurige Entwicklung für das gesamte Personal, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Jeder im Vatikan kenne Gabriele. Seine Festnahme habe natürlich für Überraschung und Kummer gesorgt. Gabriele habe sich bereits mit seinen beiden Anwälten beraten. Das Rechtssystem des Vatikans nehme jetzt seinen Lauf, Ermittlungen seien eingeleitet worden. Anklage wurde noch nicht erhoben.

Ausgeweitet hatte sich der Skandal vergangene Woche mit dem Erscheinen des Buches „Seine Heiligkeit“ des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi. In dem Buch wird aus vertraulichen Briefen und Mitteilungen von und an Benedikt sowie seinen persönlichen Sekretär berichtet. Der Vatikan hatte das Buch als „kriminell“ bezeichnet und rechtliche Schritte gegen den Autor, den Verleger sowie denjenigen angekündigt, der die Dokumente weitergegeben hatte.

Nuzzi sagte, Informanten im Vatikan hätten ihm die geheimen Informationen zugespielt. Der Vatikan hatte Nuzzi bereits mit rechtlichen Schritten gedroht, nachdem er Anfang des Jahres Briefe von Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone veröffentlicht hatte. Darin bat dieser Benedikt, ihn nicht wegen des Aufdeckens eines mutmaßlichen Korruptionsfalls zu versetzen. Das Verhältnis zwischen Benedikt und Bertone soll sehr gespalten sein. Dieser soll von der Kurie nie akzeptiert worden sein und der Papst insgeheim schon nach einem geeigneten Nachfolger für Bertone suchen. Der 77-Jährige hatte keinerlei diplomatische Erfahrung, als er den Job als Nummer zwei im Vatikan annahm. Er wird für eine Reihe von Schnitzern verantwortlich gemacht und soll sich dafür den Unmut der Kurie zugezogen haben.

So soll sich Kardinal Paolo Sardi, der Vorgänger Bertones, beim Papst 2009 in einem Brief über die fehlende Koordination und das Chaos im Machtzentrum des Vatikans beschwert haben. Nuzzi hatte diesen Brief in seinem Buch abgedruckt. Bei einer Pressekonferenz verteidigte Nuzzi sein Buch und erklärte, er habe keine Angst vor Vergeltung des Vatikans. Er forderte die Staatsanwaltschaft des Vatikans heraus, sich bei den Ermittlungen Unterstützung von den italienischen Behörden zu holen. Das wäre eine bemerkenswerte Wende, da der Vatikan in der Vergangenheit alles andere als kooperativ gewesen sei, wenn die italienische Staatsanwaltschaft um Informationen für ihre Ermittlungen ersucht habe, sagte er.

Nuzzi lobte seine Informanten in einer Danksagung in seinem Buch. Es seien mehrere gewesen, schrieb er: „Sie haben ihre Arbeit, nahestehende Meschen und ihr Leben riskiert, um mir ihre großen und kleinen Geheimnisse anzutrauen.“ Zu der Festnahme von G. äußerte er sich am Sonnabend nicht.

Mit Materia von dapd und rtr