Frankreichs neuer starker Mann Hollande fordert Nachbesserungen am mühsam ausgehandelten Fiskalpakt. Deutschland stemmt sich dagegen. Am Dienstag macht der Präsident der Kanzlerin seine Aufwartung.

Berlin. Vor dem Antrittsbesuch des neuen französischen Präsidenten François Hollande in Berlin hat die Bundesregierung unterstrichen, dass sie keine Abstriche am europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsstabilität zulassen will. Sie bleibt auch bei ihrem strikten Nein zu europäischen Konjunkturprogrammen auf Pump, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Wochenende deutlich machten. Der französische Sozialistenchef hatte im Wahlkampf angekündigt, den mühsam geschnürten EU-Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Er will stärker auf Wachstum setzen.

Es sei „üblich, dass Verträge, die geschlossen wurden, auch nach Wahlen ihre Gültigkeit haben“, sagte Schäuble der „Welt am Sonntag“. „Das gilt auch für den Fiskalpakt.“ Westerwelle erinnerte Frankreich ebenfalls an seine vertraglichen Verpflichtungen. „Was den Fiskalpakt angeht: Der gilt“, sagte der FDP-Politiker der „Welt“.

„Höhere Schulden führen nicht zu mehr Wachstum“, fügte Schäuble hinzu. Sinnvoll sei es dagegen, „europäische Programme stärker zu fokussieren, zum Beispiel stärker zur Förderung der dualen Berufsausbildung zu nutzen“. Die Berufschancen junger Leute müssten „wichtiger sein als immer neue Autobahnen“. Westerwelle zeigte sich offen für ein Wachstumsprogramm: „Das darf nur nicht auf Schulden gebaut sein, sondern muss Ergebnis von Wettbewerbs- und Strukturreformen sein.“

Bundesbankpräsident Jens Weidmann kritisierte Hollandes Pläne für eine Wachstumspolitik. „Eine Änderung der Statuten (der Europäischen Zentralbank) wäre gefährlich. Arbeitsplätze und Wachstum entstehen durch unternehmerisches Handeln. Die Notenbank kann am besten dazu beitragen, indem sie für stabiles Geld sorgt“, sagte Weidmann der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag). Der neue französische Präsident Hollande hatte in der Stichwahl am 7. Mai Amtsinhaber Nicolas Sarkozy besiegt. Er soll am Dienstag in Paris das Amt übernehmen und wird noch am Abend in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. „Das wird ein Kennenlerngespräch, aber ich denke, daraus wird sich eine gute Zusammenarbeit entwickeln“, sagte die Kanzlerin in ihrer im Internet veröffentlichten Video-Botschaft. Bei dem Treffen könnte es auch um den neuen Vorsitz der Eurogruppe gehen, zu dem Schäuble seine Bereitschaft signalisiert hat. Hollande hat bei der Personalie ein gewichtiges Wort mitzureden.

Seine sozialistischen Partei wandte am Sonntag gegen Merkel. Die Kanzlerin könne nicht alleine über das Schicksal Europas im Sinne deutscher Wirtschaftsinteressen entscheiden, sagte Parteisprecher Benoît Hamon im französischen Fernsehsender France 3. „Wir haben nicht gewählt, damit es eine Präsidentin der EU namens Angela Merkel gibt, die allein über das Schicksal aller anderen entscheidet“, fügte er auf die Frage nach einer Neuverhandlung des Fiskalpakts hinzu.

In Deutschland dringt Finanzminister Schäuble auf rasche Umsetzung des Fiskalpakts. „Ich bin zuversichtlich, dass Bundestag und Bundesrat noch vor der Sommerpause zustimmen werden“, sagte er „Welt online“. „Es wäre unverantwortlich, die Entscheidung auf den Herbst zu verschieben – und den Fiskalvertrag erst nach dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm zu verabschieden. Das kann die Opposition nicht ernsthaft verlangen.“ Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, kritisierte, die Vorbereitungen für das parlamentarische Ratifizierungsverfahren seien katastrophal. „Die Auswirkungen des Fiskalvertrages für Deutschland sind völlig unklar, da wesentliche Auslegungsentscheidungen der EU-Kommission noch nicht vorliegen.“ Bei der Abstimmung in Bundestag und Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. SPD und Grüne fordern wie Hollande Nachbesserungen und drohen andernfalls mit einem Nein.

Westerwelle geht davon aus, dass Hollande seine Ankündigung überdenken wird, die französischen Soldaten schon 2012 und nicht erst 2014 aus Afghanistan zurückzuholen. „Ich bin sicher, auch in Frankreich will niemand, dass Afghanistan wieder zu einem sicheren Hafen für den Terrorismus wird.“ (dpa)