Das Kreuzberger “Myfest“ zog Tausende Besucher an. Anwohner gründeten 2003 das Straßenfest, um ein Zeichen gegen die Maikrawalle zu setzen.

Berlin. Nudelsalat trifft Köfte trifft Frühlingsrolle: Das traditionelle Kreuzberger «Myfest» am 1. Mai-Feiertag ist auch in seinem zehnten Jahr wieder Magnet für mehrere tausend Besucher in Berlin. Am Nachmittag sind es Polizeiangaben zufolge bereits rund 22.000. Familien, Punks, Jugendliche und Touristen flanieren bei bestem Maiwetter zwischen Oranien-, Mariannenplatz und Kottbusser Tor, viele tanzen ausgelassen. Anwohner gründeten 2003 das Straßenfest, um damit ein Zeichen gegen die Maikrawalle in dem Kiez zu setzen.

Durch die Straßen dringt laute Musik von 19 Bühnen. Anwohner und Geschäfte bieten internationale Speisen an, Kinder halten bunte Luftballons in den Händen oder fahren mit ihren Rädern durch einen Parcours. Viele Nachbarn plaudern miteinander vor der Haustür.

"MyFest": Nackte Flöhe auf dem Seil

Der Name «Myfest» setzt sich zusammen aus dem Wort Maifest und dem Englischen «my» für «mein». Organisiert wird es vom Netzwerk Myfest, einem Bündnis aus Anwohnern, Gewerbetreibenden und Berliner Bürgerinitiativen. Rechtlich gesehen ist Veranstalterangaben zufolge das Bezirksamt verantwortlich. «Das ist unser Fest», sagt ein älterer Herr stolz. Dennoch sehen viele Kreuzberger nicht ohne Sorge auf das alljährliche Spektakel – sie beklagen eine zunehmende Kommerzialisierung.

In der Oranienstraße hat eine Gruppe von jungen Leuten vor ihrer Haustür zwei Biertische aufgebaut. Darauf stehen drei große Schüsseln mit Nudelsalat – zwei Euro steht in selbst geschriebenen blauen Lettern auf einem großen Pappschild. Ein Pärchen tritt näher und entscheidet sich für die selbst gemachte Zitronenlimonade, die danebensteht. «Wir machen das hier zum zweiten Mal», sagt Bewohnerin Philine Wedell. «Finanziell lohnt sich das nicht – der Spaß steht im Vordergrund.» Der Ort sei vielmehr Sammelpunkt für ihren Freundeskreis und Nachbarn.

Die junge Frau deutet auf einen Stand eines Geschäfts, das südländische Spezialitäten anbietet. «Es ist schwer, mit den Preisen der Gewerbetreibenden mitzuhalten», unterstreicht sie. Deshalb habe sie in diesem Jahr auf Bioprodukte verzichtet und stattdessen die Nudeln beim Discounter gekauft.

Dem Veranstalter zufolge nimmt die Zahl der Anwohner ab, die sich mit Selbstgebackenem oder einem kleinen Grill auf die Straße stellen. «Wir haben weniger Anmeldungen von Kiezbewohnern gehabt als im vergangenen Jahr», sagt Soner Ipekcioglu von der Festorganisation. «Das ist schade, denn sie sind die Gründer des Fests gewesen.» Dadurch verändere sich auch der einstige Charakter. «Es wird kommerzieller und dadurch geht das einzigartige Flair verloren», bestätigen zwei junge vorbeilaufende Frauen, die seit Jahren in dem Viertel wohnen. «Das liegt auch an den immer größer werdenden Touristenschwärmen.»

Nicht verändert hat sich aber das Ziel des Fests, nämlich deeskalierend auf die Maikrawalle zu wirken. Polizeiangaben zufolge war es bis zum Nachmittag friedlich im Viertel. «Die Lage ist ruhig», sagt eine Polizeisprecherin gegen 16.00 Uhr auf dapd-Anfrage. «Wir sind stolz, dass das Konzept aufgeht», freut sich Ipekcioglu und fügt hinzu: «Menschen, die tanzen, statt Menschen, die Flaschen werfen.» (dapd/abendblatt.de)