Rösler wird Nachfolger von Guido Westerwelle. FDP-Generalsekretär Christian Lindner ist mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt worden.

Rostock. Philipp Rösler ist neuer Vorsitzender der FDP. Der Parteitag in Rostock wählte den 38-Jährigen am Freitag mit 95,1 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Guido Westerwelle, der nach zehn Jahren als Parteichef und zuletzt zunehmender Kritik an seiner Arbeit nicht wieder kandidierte. Rösler ist damit jüngster Vorsitzender in der Geschichte der Partei. Von 651 gültigen Stimmen entfielen auf ihn 619. Rösler bedankte sich für das Vertrauen und versprach: „Jetzt geht's los.“

Erst am Donnerstag war der FDP-Politiker im Zuge der personellen Neuausrichtung der Liberalen zum Bundeswirtschaftsminister ernannt worden. Zuvor leitete er das Gesundheitsressort. Der promovierte Arzt kam nach der Wahl 2009 überraschend ins Bundeskabinett. Zuvor war der Familienvater Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident in Niedersachsen.

In seiner Kandidatenrede hatte Rösler zuvor gesagt, er werde Mannschaftsführer eines starken Teams sein. „Ab heute geht der Wiederaufstieg der Freien Demokraten endlich los“, versprach er. Deutschland gehe es gut, wie die jüngsten Arbeitslosen- und Wachstumszahlen zeigten. Es brauche daher eine Partei, die nicht ständig über Probleme rede und optimistisch nach vorne schaue. „Das sind wir, die Freien Demokraten.“ Getreu den Worten ihres ersten Vorsitzenden Theodor Heuss sei die FDP eine Partei für Menschen, „die bleien wollen, was sie sind: unabhängig, selbstständig und frei“. Solche Menschen gebe es in allen Schichten der Bevölkerung.

Lindner als FDP-Generalsekretär wiedergewählt

FDP-Generalsekretär Christian Lindner ist mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt worden. Der 32-Jährige kam beim Parteitag in Rostock am Freitagabend auf 87,0 Prozent der Delegiertenstimmen. Bei seiner ersten Wahl im vergangenen Jahr hatte der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen noch 95,6 Prozent erhalten.

Der aktuelle Kommentar

„Die Hoffnung der Liberalen ruht darauf, dass Rostock als Tiefpunkt in ihre neuere Geschichte eingeht. Bei den jüngsten Landtagswahlen waren fünf Prozent eine echte Hürde. Und in einer Umfrage stellen die Deutschen der FDP ein Zeugnis aus, das auch als Totenschein gelesen werden kann. 61 Prozent sind der Überzeugung, dass mit dieser Partei verlässliche Politik nicht mehr möglich ist. Nur jeder Dritte glaubt, dass sich die FDP mit Philipp Rösler auf dem richtigen Weg befindet. Der Parteitag war diszipliniert genug, das neue Team nicht mit weiteren Mühlsteinen zu belasten. Rösler, der gut gelaunt den Wiederaufstieg der Freien Demokraten versprach, wurde mit einem 95-Prozent-Ergebnis belohnt.

Auch seine Stellvertreter Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Holger Zastrow ürfen sich gestärkt fühlen. Lediglich Birgit Homburger, die ihr Scheitern als Fraktionsvorsitzende auch mit ihrer schwäbischen Sprachfärbung begründete, wurde abgestraft. Die Delegierten verabschiedeten Guido Westerwelle mit Anstand und Respekt vom Parteivorsitz. Die befürchtete Abrechnung blieb aus. Westerwelle wird Außenminister bleiben - und Teil des Teams, das keine Schonzeit hat. War Rostock nicht der Tiefpunkt, wird es den nächsten Aufbruch geben. Spätestens nach der Bundestagswahl.“

Lesen Sie dazu auch:

Philipp Rösler – In sieben Jahren soll Schluss

Sieben Jahre noch. Dann will Philipp Rösler aus der großen Politik aussteigen. So verkündete es der neue Bundeswirtschaftsminister und seit Freitag auch neue FDP-Parteichef selbst die letzten Tage immer wieder: „Mit 45 ist Schluss.“ Ergibt für den 38-Jährigen, wenn man es ganz genau nimmt, Februar 2018.

Eine solche Ansage ist ziemlich ungewöhnlich für jemanden, der gerade auf einen absoluten Top-Posten der deutschen Politik aufsteigt. Aber auch sonst gehört Rösler zu den Leuten, die sich nicht unbedingt an das halten, was andere von ihnen erwarten. Das hat auch mit seiner Biografie zu tun.

Rösler kam 1973 als Flüchtlingskind aus Vietnam nach Deutschland. Als sich seine Adoptiveltern trennten, wuchs er beim Vater auf, einem Offizier. Rösler ging auch selbst zur Bundeswehr, wo er Stabsarzt wurde und seinen Doktor machte. Titel der Arbeit: „Einfluss der prophylaktischen Sotalolapplikation auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns im Rahmen der aortakoronaren Bypassoperation“.

Die Fortbildung zum Augenarzt brach er dann jedoch ab, um in der Politik Karriere zu machen. In Niedersachsen wurde er schnell FDP-Generalsekretär, Chef der Landespartei und Landtagsfraktion und schließlich Wirtschaftsminister. Nach acht Monaten hörte er als Landesminister schon wieder auf. Nach dem schwarz-gelben Wahlsieg im September 2009 wechselte er als Gesundheitsminister nach Berlin.

Damals war der Udo-Jürgens-Fan im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel der Jüngste. Jetzt rückt Rösler als Nachfolger von Guido Westerwelle dort auch zum Vizekanzler auf. Als Motto für sein Leben in der Politik gilt aber weiterhin: „Man muss den Tiger reiten, aber man darf sich von ihm nicht fressen lassen.“

Derzeit ist Rösler auch noch auf Immobiliensuche. Zusätzlich zum Eigenheim in Hannover will er in Berlin eine Wohnung anmieten, damit er die Familie – Frau Wiebke und zweieinhalbjährige Zwillingsmädchen - auch unter der Woche sehen kann. Die Wohnung soll im Stadtteil Mitte sein. Dort hat nicht nur die FDP-Zentrale, sondern auch das Wirtschaftsministerium seinen Sitz. (dpa/abendblatt.de)

FDP stellt Westerwelle als Außenminister nicht infrage

Beim FDP-Parteitag ist die befürchtete Abrechnung mit dem scheidenden Parteichef Guido Westerwelle ausgeblieben. Ein Antrag zur Abstimmung über seinen Verbleib im Auswärtigen Amt blieb am Freitag aus, nur vereinzelt wurde Kritik an seiner Amtsführung laut. Der künftige Parteichef Philipp Rösler warb vor der Generalaussprache um Respekt vor Westerwelle als Person und ließ keinen Zweifel daran, dass der 49-Jährige weiter in dem Regierungsamt bleiben solle. Westerwelle entschuldigte sich in seiner Abschiedsrede in Rostock für Fehler, zog unter dem Strich aber eine positive Bilanz seiner zehnjährigen Amtszeit. Der neuen Führung unter Rösler sagte er die volle Unterstützung zu.

„Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen“, versprach Westerwelle. Es seien hervorragende Leute, die nun an die Spitze der Partei rückten. Westerwelle zeigte sich überzeugt, dass die FDP aus ihrem Tief kommen könne. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir das Blatt wenden werden.“ Er setze dabei auf Teamgeist. Allerdings könne er aus Erfahrung sagen, dass es nicht nur wichtig sei, dass die Partei hinter ihrem Vorsitzenden stehe. „Manchmal muss die Partei auch vor einem stehen.“ Die neue Führung werde ab sofort in der ersten Reihe der Kritik stehen.

Selbstkritisch räumte Westerwelle ein: „Wer so lange eine Partei führt, der macht auch Fehler.“ Er stehe zu jedem einzelnen. Es gelte aber: „Die letzten zehn Jahre waren unter dem Strich mehr positiv als negativ.“ Die Partei rief er auf, die gemeinsamen hart erarbeiteten Erfolge in der Regierung trotz Gegenwinds zu verteidigen. So seien mit dem Wirtschaftsaufschwung, steigenden Nettolöhnen und dem Abbau der Arbeitslosigkeit wichtige Ziele erreicht worden.

Einen großen Teil seiner Rede widmete Westerwelle dem Schutz der Freiheits- und Bürgerrechte. „Wir sind die einzige Partei, die sich im Zweifel für die Freiheit entscheidet“, erklärte er. Mit diesem Verständnis richte sich die Partei an das gesamte Volk. In der Euro-Debatte warnte Westerwelle vor Tendenzen der Renationalisierung in Europa. Das Thema Steuern klammerte er dagegen aus.

Vor dem Delegiertentreffen hatte Fraktionsvize Martin Lindner einen Antrag ins Spiel gebracht, um beim Parteitag über Westerwelles Verbleib im Amt des Außenministers abzustimmen. So solle der wabernde Unmut über Westerwelle gebündelt werden. Von diesem Vorhaben nahm Lindner nach internem Druck aber Abstand.

In der Generaldebatte wurde kaum persönliche Kritik an Westerwelle laut, Forderungen nach einem Rückzug vom Außenministeramt gab es nicht. Vor der Aussprache bemühte sich Rösler, möglichen Unmut gegenüber seinem Vorgänger einzufangen. Die meisten Funktionsträger in der FDP hätten ihre Ämter Westerwelle zu verdanken, sagte er und fügte an Westerwelle hinzu: „Das eigentliche Geschenk, das wir Dir schuldig sind, ist der Respekt vor Deiner Leistung, vor Deiner Person und vor Deinem Amt als Bundesaußenminister.“

Kritisiert wurde von Delegierten allerdings, die FDP habe in der Regierung zu wenig von ihren Vorstellungen und ihren Wahlversprechen umgesetzt. „Wir haben bei jedem Hüsteln der Kanzlerin eine Lungenentzündung bekommen“, monierte der Haushaltsexperte Frank Schäffer. Die FDP müsse in der Koalition jetzt den Rücken gerademachen. „Wir brauchen eine Zunahme des politischen Gewichts der FDP in der Koalition zur stärkeren Durchsetzung unserer Positionen“, sagte auch Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki. Der Partei-Rebell forderte ein Ende der Debatte über Westerwelles Zukunft. Die FDP könne und werde mit ihm gemeinsam Wahlen gewinnen.

Der Chef der Jungen Liberalen (JuLi) Lasse Becker, bemängelte, die FDP habe nicht nur Glaubwürdigkeit verloren. Die Wähler seien auch enttäuscht, dass außer der Aussetzung der Wehrpflicht und der Entscheidung zur Löschung statt Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet nichts erreicht worden sei. Becker kritisierte zugleich, die personelle Neuaufstellung gleiche einer „Reise nach Jerusalem“, bei der vergessen worden sei, einen Stuhl wegzunehmen.

Der neue Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle zeigte sich überzeugt, dass in Rostock die Personaldebatten beendet werden. Die Partei rief er auf: „Fürchtet Euch nicht, traut Euch, ran an die Arbeit.“ Der Parteitag dauert bis Sonntag. Am Freitagabend sollte die komplette Führungsspitze neu gewählt werden. (reuters)