Zweieinhalb Monate nach dem Guttenberg-Rücktritt geht die CSU-Spitze auf Distanz zu dem einstigen Superstar. Viele Fragen seien ungelöst.

München/Augsburg. Nach dem Atomunglück in Japan ist die Energiepolitik oft Thema Nummer eins. Doch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sorgt sich in erster Linie um die Zukunft der Bundeswehr. Er rückt wegen großer Probleme mit der Bundeswehrreform sogar vom gestürzten CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg ab. „Soldaten, Arbeitsplätze, Standorte – die Fragen sind ungelöst“, kritisierte Seehofer in der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht sich in seinen Bedenken bestätigt. „Ich habe immer eine Gesamtanalyse gefordert, bei der die Auswirkungen einer Bundeswehrreform und einer Aussetzung der Wehrpflicht auf alle anderen tangierten Bereiche umfassend geprüft werden“, teilte Herrmann in München mit.

Im vergangenen Jahr hatten Seehofer und Herrmann hatten die Abschaffung der Wehrpflicht sehr skeptisch beurteilt, konnten sich aber gegen Guttenberg nicht durchsetzen – unter anderem, weil dieser von einer Welle des Zuspruchs in den Medien getragen wurde. Inzwischen treten die Probleme des Guttenberg-Erbes im Verteidigungsministerium zutage. Die Kritiker monieren, dass es überhaupt keinen durchdachten Reformplan gegeben habe. Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) hat sich zwar nicht öffentlich von Guttenberg distanziert, aber bereits angekündigt, dass die Reform nicht mehr in dieser Wahlperiode zu bewältigen ist.

Der einstige Polit-Superstar Guttenberg bekommt in der Partei nicht mehr die volle Rückendeckung. Ihm wird inzwischen unionsintern vorgehalten, dass er sich den Sparforderungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht nur beugte, sondern sich im Einsparen besonders hervortun wollte. Die CSU will nun erreichen, dass das der Bundeswehr verordnete Sparziel von mehr als acht Milliarden Euro bis 2015 abgemildert wird. Das ganze Ausmaß der Probleme sei ihm erst bei einem Gespräch mit de Maizière vergangene Woche klar geworden, sagte Seehofer der „Augsburger Allgemeinen“. Guttenberg habe ein „militär- und strukturpolitisches Desaster“ hinterlassen, beklagte ein ungenanntes Mitglied der Staatsregierung in der Zeitung.

Herrmann sagte, insbesondere fehle eine Antwort auf die Frage, „wie anstelle der Wehrpflichtigen künftig genügend Freiwillige für den Wehrdienst rekrutiert werden können“. Dies sei nicht nur eine Frage des Geldes, „sondern auch unseres Patriotismus“. Herrmann befürchtet, „dass wir bald eine Reihe leerstehender Kasernen haben werden“. Vor allem müsse aber klar sein, welche Ziele und Aufgaben die Bundeswehr der Zukunft im Ausland wie im Inland verfolgen soll. „Ich gehe davon aus, dass unter diesen Aspekten die ambitionierten Sparziele viel zu hoch gesteckt sind.“

„Erster Punkt ist, dass die 8,3 Milliarden Euro Einsparziel reduziert werden müssen“, sagte Johannes Hintersberger, der Leiter des Arbeitskreises Wehrpolitik in der Landtags-CSU. Die Sparvorgabe habe Guttenberg „zumindest ein Stück weit akzeptiert“. Nun zeige sich, „dass bei den 8,3 Milliarden Euro wenig nachvollziehbar dargestellt wurde und wird, wie das mit der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr einhergehen kann.“ Hintersberger schlug vor, die alljährlichen Pensions- und Versorgungsleistungen von 3,6 Milliarden Euro an nicht mehr aktive Soldaten aus dem Etat des Ministeriums herauszunehmen.

Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger warf der Union vor, die Bundeswehr zu ruinieren. „Die Bundeswehrreform wurde völlig überstürzt und planlos vom Zaun gebrochen, ihre Auswirkungen nicht bedacht“, kritisierte er. „Es hätte rechtzeitig ein System entwickelt werden müssen, wie eine ausreichende Anzahl Freiwilliger angeworben werden kann.“ (dpa/abendblatt.de)

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Die Bundeswehr soll sich wieder hauptsächlich auf die Landesverteidigung konzentrieren. Wie die "Südwest Presse" berichtet, steht dies nach Angaben von Berliner Verteidigungspolitikern in dem Konzept zur Bundeswehrreform, das Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am kommenden Mittwoch vorstellen will. Die Teilnahme an Einsätzen zur internationalen Krisenbewältigung, die in den vergangenen Jahren als Hauptziel betrachtet wurde, soll diesen Informationen zufolge an die zweite Stelle des Aufgabenkatalogs rücken.

Angeblich werde auch daran gedacht, ein Konzept zur Luft- und Raketenabwehr zu erarbeiten. Die künftige Truppenstärke solle nicht unter 170 000 Zeit- und Berufssoldaten sinken und könnte um bis zu 15 000 freiwillige Wehrdienstleistende ergänzt werden. Neu aufgebaut werden solle ein "Heimatschutz", der auch Reservisten einbezieht. Er solle bei Naturkatastrophen im Inland eingesetzt werden.

Nach Ansicht von Verteidigungspolitikern der Koalitionsfraktionen soll der Etat der Bundeswehr von den Kosten der Bundeswehreinsätze entlastet werden. "Das würde klarmachen, dass Auslandseinsätze nicht nur eine Angelegenheit der Bundeswehr sind, die sie aus ihrem Etat schwitzen muss, sondern eine Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland insgesamt", sagte der Experte der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Die FDP-Obfrau im Verteidigungsausschuss, Elke Hoff, begrüßte die Idee. "Wir brauchen für das Gelingen der Bundeswehrreform finanzielle Spielräume. So könnten zum Beispiel Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung finanziert werden."(dapd/dpa)