Hamburg. Uni-Präsident Dieter Lenzen spricht mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider darüber, ob man lügen darf und welche Funktion das hat.

Darf man lügen – und wenn ja, wie oft? Was wie der Titel eines neuen Buches von Richard David Precht klingt, ist in Wirklichkeit die Frage, die Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider und Dieter Lenzen, den Präsidenten der Universität Hamburg, in der neuen Folge ihres gemeinsamen Podcasts „Wie jetzt?“ beschäftigt.

„Eins ist sicher: Dass früher Lügen sehr hart bestraft wurden, lag einzig und allein daran, dass die Macht eines Herrschenden bedroht war, wenn seine Untergebenen ihm nicht die Wahrheit sagten“, so Lenzen. Heute sei es zum Teil umgekehrt. Es würden Lügen durch Herrschende in bestimmten Ländern sogar „positiv sanktioniert, aber leider nur ihre eigenen“. Lügen seien so oder so ein Medium, um Macht zu sichern, das sei der eine Bereich. Ein anderer „sind Lügen, um Waren und Güter besser verkaufen zu können“.

Geht es nach Nietzsche, müssen Menschen lügen, um überlebensfähig zu sein

Und dann gibt es natürlich noch Lügen, von denen man sich soziale Vorteile erhoffe, etwa, wenn man auf bestimmten Internetseiten nicht direkt das richtige Alter, die richtige Größe oder den echten Beruf angebe. Lenzen: „Friedrich Nietzsche, der große Philosoph, hat zu dem Thema einen ebenso großen Satz geprägt: „Wer nicht lügen kann, weiß nicht, was Wahrheit ist.“ Ein Mensch, der, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage wäre zu lügen, wäre nicht überlebensfähig.

Es komme hinzu, so Haider, dass man bei vielen Aussagen oft nicht wissen könne, ob sie sich irgendwann nicht doch als falsch herausstellen – ein Problem, vor dem Journalisten und Wissenschaftler gleichermaßen stehen. „Wir als Wissenschaft sind im engsten Sinne für Wahrheit zuständig, und zwar Wahrheit im Sinne von Gewissheit“, sagt Lenzen. Wobei man diesen Anspruch über einen Umweg einlösen müsse: „Wir können nicht sagen, was wahr ist, sondern nur, was nicht wahr ist.“