Hamburg. Im Podcast „Morgens Zirkus, abends Theater“ stellt Verena Holler ihre Initiative für smarte Handynutzung ab 14 vor.

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„Die Kindheit ist zu kurz, um sie an ein Smartphone zu verschwenden“, finden vier Hamburger Mütter und haben deshalb die Initiative „Smarter Start ab 14“ gegründet.

Der Verein bringt auf seiner Internet-Plattform bundesweit Eltern zusammen, die ihren Kindern frühestens mit 14 Jahren ein Smartphone kaufen möchten. Den meisten Müttern und Vätern sei nicht wohl dabei, den Nachwuchs immer früher mit einem internetfähigen Handy auszustatten, hat die Hamburgerin Verena Holler festgestellt. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen bietet sie Eltern die Möglichkeit, Teil der Lösung zu werden, anstatt das Problem zu vergrößern. Ihre Idee: Wenn sich nur ein paar Mütter und Väter in einer Klasse oder Jahrgangsstufe einig sind, dann können sie sich dem wachsenden Druck entgegenstellen.

Kinder benutzen ganz selbstverständlich das Smartphone

Die meisten Eltern kennen das wohl: Das Kind fragt immer drängender, wann es endlich ein eigenes Handy bekommt, und schiebt hinterher: „Alle anderen haben schon eins.“ Bei Verena Holler war es so weit, als einer ihrer Söhne in die dritte Klasse einer Katholischen Grundschule in Blankenese kam.

Ihr erschien das viel zu früh für ein eigenes Smartphone, doch auf dem Medienelternabend an der Schule ging es nur um das „Was“ und „Wie lange“, aber nie um das „Ob überhaupt“, erzählt die dreifache Mutter im Familienpodcast „Morgens Zirkus, abends Theater“ des Hamburger Abendblatts. Es habe sich eingeschlichen, dass Kinder ganz selbstverständlich die Geräte benutzten, die erst 2007 eingeführt wurden – für Erwachsene. „Dieses Gerät wurde nicht für Kinder erfunden“, sagt die Juristin. Tatsächlich zeigen Erhebungen, dass mittlerweile bereits 47 Prozent der 6- bis 13-Jährigen über ein Handy oder Smartphone verfügen – also fast jede und jeder Zweite.

Der soziale Druck unter Kindern, aber auch Eltern ist groß

„Fragt man Eltern, erhält man oft die Antwort: Uns war das auch zu früh, aber wir wollten nicht, dass unser Kind zum Außenseiter wird, spätestens wenn ein Klassenchat eingerichtet wird – der soziale Druck unter den Kindern, aber auch den Eltern ist groß“, sagt Verena Holler, die den Verein mit anderen zusammen Ende 2019 gründete.

„Wenn Eltern nur deshalb nachgeben, weil alle anderen Eltern das auch erlauben, dann liegt die Lösung auf der Hand: Man kann vermeiden, dass das eigene Kind zum Außenseiter wird, wenn man andere Eltern, die auch zweifeln, ins Boot holt.“ So hat sich Verena Holler mit einigen anderen bei dem Elternabend, „geoutet“, wie sie sagt, und sich zusammengetan. „Wir haben gemerkt, wie bestärkend es ist, wenn man von anderen Eltern weiß, die ganz ähnliche Vorbehalte haben.“ Die Eltern hätten es in der Hand: „In dem Moment, in dem man sich dagegen entscheidet, haben eben nicht alle ein Smartphone – so läuft dieses Argument ins Leere.“

Viele Erfahrungen können Kinder nicht digital machen

Die Kindheit sei kurz. „Und es ist wahnsinnig wichtig, dass Kinder in dieser Phase bestimmte Erfahrungen machen für ihre körperliche und geistige Entwicklung. Die kann man nicht nachholen.“ Also beispielsweise sich zu bewegen und den Körper sowie seine Gefühle kennenzulernen, Dinge mit allen Sinnen zu begreifen, sich selbst beruhigen zu können, Frustrationstoleranz zu lernen, in andere Rollen zu schlüpfen, die Per­spektive zu wechseln, sich zu streiten und Kompromisse zu finden.

„Die lernen Kinder nur in der echten Auseinandersetzung mit echten anderen Menschen. Diese Erfahrungen könne man nicht digital machen.“ Im wirklichen Leben müssten sie Selbstbewusstsein entwickeln und Anerkennung durch andere erfahren, damit sie nicht durch Pseudo-Anerkennung in den Sozialen Medien abhängig würden, von Followern, die sie gar nicht wirklich kennen und die keine echten Bezugspersonen sind. Gerade zwischen zehn und 14 Jahren durchleben Kinder eine verletzliche Zeit, da brauchten sie ein gefestigtes Umfeld mit Freunden, die auch tatsächlich an ihrer Seite stehen. „Das andere kommt ja noch, die Kinder werden all die neuen Medien noch zur Genüge nutzen.“

Für sie gilt: erst real, dann digital. Das bedeutet für die Initiative nicht, dass Kinder nie mit digitalen Medien in Berührung kommen sollen, beispielsweise das Programmieren lernen oder am Tablet etwas spielen dürfen. Der Initiative geht es um das eigene Smartphone, das Gerät, das Kinder immer mit sich herumtragen und das schnell jede Zeitlücke füllt. „Wir sind nicht gegen Technik. Aber wir alle wissen, dass digitale Medien die Tendenz haben, sich ungemein auszubreiten.“ Wie ein Raubfisch im Aquarium, der alle anderen Fische auffrisst und dann allein übrig bleibt.

Ihre eigenen Kinder waren nicht durchweg begeistert

Im Internet kann man auf der Seite des Vereins unter www.smarterstartab14.de Gleichgesinnte finden. Eltern registrieren sich mit Namen, Schule und Jahrgangsstufe des Kindes und werden benachrichtigt, wenn sich andere Eltern aus der selben Jahrgangsstufe anmelden. So können sie sich austauschen. „Wenn es beim Elternabend oder am Elternstammtisch um Smartphones und die Nutzung Sozialer Medien geht, traut man sich eher, selbstbewusst zu seiner Meinung zu stehen, wenn man weiß, dass andere Eltern an seiner Seite stehen.“ Am besten sollte das Thema gleich zu Beginn der Grundschule oder sogar im Kindergarten angesprochen werden, spätestens aber mit dem Wechsel in die weiterführende Schule. „Wer jetzt ein Kind in der fünften oder sechsten Klasse hat, wo das alles schon etabliert ist, für den wird es unter Umständen schwierig“, weiß Holler, die sich wie alle ihre Mitstreiterinnen ehrenamtlich für den Verein engagiert.

Auch ihre eigenen Kinder waren nicht durchweg begeistert, dass sie erst spät ein eigenes Smartphone bekommen sollten. Positiv ist aber, so Holler: „Wenn man das beim ersten Kind durchgefochten hat, wird es einfacher, denn die älteren Geschwister werden schon darauf achten, dass die Jüngeren keinen Tag früher ein Smartphone bekommen als sie selbst.“