Hamburg. Leah Bianchini ist seit 20 Jahren Hebamme und spricht über die Begleitung von Eltern, Mütter im Wochenbett und schützenden Vätern.

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Rund 2500 kleine Hamburgerinnen und Hamburger hat die Hebamme Leah Bianchini in mehr als zwanzig Jahren in den ersten Wochen ihres Lebens begleitet, die dazugehörigen Eltern ­– besonders die Mütter im Wochenbett – natürlich auch. Die Geschichten, von denen Bianchini in der aktuellen Folge des Familienpodcasts erzählt, beinhalten die ganze Gefühlspalette: von überbordender Liebe, Angst, Überforderung, Hilflosigkeit, Freude, Trauer und Spaß.

Auch nach so vielen Jahren im gleichen Berufsfeld brennt die Eppendorferin, die von Rothenburgsort über Altona bis nach Niendorf und Eimsbüttel Familien besucht, für ihre Arbeit. Nässender Nabel beim Säugling? Entzündete Brustwarzen bei der Stillenden? Koliken, Fieber oder Saugverwirrung – Probleme in jungen Familien, die ihr nicht fremd sind.

Hamburg verzeichnet Mangel an Hebammen

Bianchini ist gefragt wie nie, denn nur etwa die Hälfte der schwangeren Hamburgerinnen bekommen aktuell überhaupt Hilfe von einer Hebamme – der Mangel ist eklatant. „Wie in so vielen Pflegeberufen müsste die Bezahlung besser werden, da wir für einen Wochenbettbesuch einfach zu wenig bekommen und müssen dazu wahnsinnig flexibel sein“, sagt sie.

Um diesem Missstand ein wenig abzuhelfen, hat Bianchini, die mit Edoardo und Lilly selbst zwei erwachsene Kinder hat, gemeinsam mit ihren Hebammen-Kolleginnen Ilka Kaufmann und Christina Mucks die Praxis „Lüttn Nordlicht“ in der Schanze gegründet, wo die Fachfrauen in Kursen vor Ort (aktuell nur virtuell und nach Anmeldung) und online beraten und ihr Wissen weitergeben.

Pandemie treibt Geburtenzahlen in die Höhe

So können Frauen und Eltern im Wochenbett Unterstützung bekommen, wenn sie nicht weiterwissen. „Hoffentlich geht das bald wieder persönlich, denn so eine Betreuung ist schon intim – sehr intim“, sagt Bianchini. Neuerdings unterstützt auch Laura Abee das Hebammen-Team.

Genug zu tun ist, denn durch die Pandemie werden wohl mehr Säuglinge auf die Welt kommen. Offizielle Zahlen liegen dazu noch nicht vor. „In beiden Lockdowns wird es mehr Babys geben, könnte sein, dass es aus dem zweiten noch mehr sind, jedenfalls steigen die Anfragen, und ich kann mir auch vorstellen, dass es im Homeoffice mal kuschelig wird“, sagt die Fachfrau. Aktuell laufen im Team jedenfalls monatlich mindestens 200 Anfragen auf, „die wir nicht mal alle beantworten können“.

„Wir gucken die Kinder ganz genau an"

Aber was passiert eigentlich bei einem Hebammenbesuch und warum ist es gerade für Neu-Eltern so wichtig? Neben dem Kuscheln hält so ein Baby immerhin mindestens zwei Erwachsene auf Trab. „Wir gucken die Kinder ganz genau an. Wenn ich ein Kind wickle, dann spüre ich den Muskeltonus, dann beobachte ich das Kind, schaue die Hautfarbe an, sage erst einmal nichts, um die Eltern nicht zu beunruhigen.“

Nabelpflege, Schlafrhythmus, Gelbsucht, Gewicht des Säuglings sind Punkte, die Hebamme Bianchini immer kontrolliert, zudem wacht sie über die Einhaltung des Wochenbetts: Acht Wochen lang ist es wichtig, dass die Frau sich nach der Geburt ausruht, viel liegt, den Beckenboden entspannt.

Von Recherche im Internet wird abgeraten

Die Väter haben eine wichtige Rolle dabei: „Väter sind der Schutzraum für die Frauen“, sagt die Hebamme. Sie unterstützen und versorgen. „Ich mache ihnen auch mal eine Einkaufsliste oder sage, ‚besorg doch mal bitte eine Milchpumpe, ein Fieberthermometer hattet ihr noch nicht, geh doch mal bitte in die Apotheke‘“, erklärt sie.

Im Internet zu lesen verunsichere im Übrigen zumeist mehr, als dass es helfe: „Nicht in Foren lesen, in denen sich Leute austauschen, die medizinisch keine Ahnung haben. Dann bitte lieber ein gutes Wochenbett-Buch lesen.“ Und was übrigens auch ein „No Go“ ist: „Mit dem Neugeborenen zu Ikea eher nicht, aber ein Spaziergang ist gut..“

Auszeit alleine ist für Mütter und Väter wichtig

Wahre Wunder wirken kann in dieser ersten, anstrengenden Zeit als kleine Familie zu Hause ein warmes Essen von Freunden. Dazu hat die Hebamme diese coronakonforme Idee: Eintopf oder Hühnersuppe kochen oder einen Kuchen backen und vor die Tür stellen, statt einen langen Besuch zu machen und noch einen Kaffee zu erwarten.

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Und auch wenn man keine Eltern oder Schwiegereltern vor Ort hat, rät Bianchini, sich ab und zu mal eine Stunde allein zu gönnen: „Man kann sich auch unter Freundinnen helfen und gegenseitig auf die Kinder aufpassen.“

Junge Mütter sollten sich auf ihren Instinkt besinnen

Sowieso sollten sich junge Mütter auf ihren Instinkt besinnen, nicht von den sozialen Medien mit Bildern akkurat geschminkter Frauen nach Entbindung verunsichern lassen. „Wir müssen nicht perfekt aussehen, perfekte Mütter sein, müssen nicht die tollen Geburten haben und beim Stillen keine Probleme haben – wir können gar nicht perfekt sein, sollten uns nicht beeinflussen lassen“, sagt die Hebamme.

Gerade mit Druck kann es zum Beispiel beim Stillen Probleme geben, weil die Frauen nicht mehr ihren Instinkten vertrauen. „Der Druck, der dahintersteckt, ist irgendwie fürchterlich. In den vergangenen Jahren hat das zugenommen.“ Was jedoch immer gleich bleibt, ist dieses: „Die Frage, die mir alle jungen Eltern stellen: ‚Wann schläft das Baby endlich nachts?‘“, sagt Bianchini. Antwort der Fachfrau: Nach sechs Wochen wird es besser.