Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Alexander Klar „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: Ein Kunstwerk ohne Namen.

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Einmal die Woche spielen Hamburgs Kunsthallen-Direktor Alexander Klar und Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider „Ich sehe was, was du nicht siehst“ . Heute geht es um ein Kunstwerk ohne Namen von Cady Noland aus dem Jahr 1994. Wobei: Haider sieht kein Kunstwerk. „Ich sehe nur einen ziemlich hohen Maschendrahtzaun“, sagt er, und kann kaum verstehen, dass Klar ausgerechnet darüber ins Schwärmen gerät – und behauptet, über diesen „Zaun“ könne er länger reden als über die meisten Gemälde, die in der Kunsthalle hängen.

Nicht alle Kunstwerke sind selbsterklärend und die US-Amerikanerin Cady Noland hat sich mit ihren Werken in der Szene besonders konsequent rätselhaft und rar gemacht. „Untitled“ – nicht betitelt – heißt ihr auf dieser Seite gezeigtes Kunstwerk aus dem Jahr 1994 und dabei wird es wohl auch bleiben. Mehr als 25 Jahre sind seitdem ins Land gegangen, aber das Werk dürfte so manchen Betrachter immer noch provozieren. „Ist das Kunst, oder kann das weg?“, könnte man angesichts dieses Absperrgitters fragen.

Bereits 1980 wurde Noland als Künstlerin bekannt, zog sich aber schon bald wieder aus der Öffentlichkeit zurück. Bis dahin beschäftigte sie sich mit archetypischen Gegenständen der USKultur. Mit der Flagge, dem „Star Spangled Banner“, einem Zaumzeug, Budweiser-Bierdosen, einem Holzkohlegrill, einem Cowboy-Sattel, Handschellen und eben diesem Metallgitter, auf das die Kunsthalle auch deshalb stolz sein könnte, weil Nolands Werke zu den besonders teuren auf dem internationalen Kunstmarkt gehören.

Noland gibt mit Kunstwerken Denkanstöße

Im Jahr 2011 hat sie bei einer Auktion Arbeiten im Wert von 6,6 Millionen Dollar verkauft. Metallgitter sollen Menschen von­einander trennen. Demonstranten von der Polizei, Mexikaner von US-Amerikanern in Texas. Mauern, Gräben und Stacheldraht – fast alle entpuppten sich als Irrtümer der Geschichte. Wir hier drinnen, ihr da draußen. Nolands Kunstwerk gilt als ein Beispiel der Minimal Art, beinahe ist es schon ein Objet trouvé.

Kunstwerk aus dem Jahr 1994: „Untitled“
Kunstwerk aus dem Jahr 1994: „Untitled“ © © Cady Noland | Christoph Irrgang

Und natürlich gibt es eine Menge Denkanstöße, denen man sich nicht verschließen sollte. Es hat etwas Menschenverachtendes, Arrogantes, Kaltherziges, Abweisendes. Noland waren die offensichtlichen Missstände in ihrem Heimatland schon ein Anliegen, bevor Donald Trump an die Macht kam und seine Politik der Ausgrenzung betrieb. Eigentlich ist ihr Thema der Amerikanische Traum, der sich ihrer Meinung nach langsam in einen Albtraum verwandelt.

Ausstellung im Museum für Moderne Kunst

Seit dem Jahr 2000 hatte sie keines ihrer Kunstwerke mehr gezeigt. Dann folgte völlig überraschend eine Ausstellung im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, das 84 ihrer Kunstwerke ausstellte, die sie von 1984 bis 2008 geschaffen hatte. Darunter war zum Beispiel das Werk „Oozewald“ aus dem Jahr 1989, das ein Aluminium-Bild des Attentäters von John F. Kennedy, Lee Harvey Oswald, zeigt, das zerlöchert ist, wobei die Löcher an Pistoleneinschüsse erinnern.

Joseph Beuys und Andy Warhol zählt Cady Noland zu ihren Vorbildern. Schon ihr Vater Kenneth Noland war ein erfolgreicher US-Künstler. 1987 hatte die notorisch öffentlichkeitsscheue 65 Jahre alte Künstlerin einen hellsichtigen Text veröffentlicht, in dem sie sich ausdrücklich von der US-Gesellschaft distanzierte. Der Titel: „Zu einer Metasprache des Bösen“.

Dieses und weitere Werke finden Sie in der Online-Sammlung der Hamburger Kunsthalle