Hamburg. Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Alexander Klar „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: “Die barmherzigen Schwestern“.

Als im vergangenen Herbst die großartige Gemäldegalerie in der Hamburger Kunsthalle eröffnet wurde, war das monumentale Hans-Makart-Gemälde natürlich der Star. Aber daneben glänzten zahlreiche weitere Sternchen.

Eines davon ist das Ölgemälde „Die barmherzigen Schwestern“ von Henriette Browne. Ein Pseudonym der französischen Malerin Sophie de Bouteiller, die von 1829 bis 1901 in Paris lebte und mit religiösen und orientalischen Genreszenen Erfolge feierte. Ihre „Schwestern“ wurden der brillanten Technik wegen von Kritikern auf dem Pariser Salon 1859, im Entstehungsjahr des Werkes, als „Perle“ bezeichnet.

Zu sehen sind zwei Nonnen des Vinzentinerinnenordens mit ihren signifikanten Hauben, den Cornettes, die sich um ein offensichtlich krankes Kind kümmern. Während die vordere Frau das Kind auf dem Schoß gebettet hat, bereitet die im Schatten stehende Frau eine Medizin aus mehreren Fläschchen vor; auch eine Zitrone und ein Messer sind abgebildet.

Ungewöhnliche Darstellung der Figuren

Amelie Baader, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kunsthalle, fühlt sich erinnert „an die aus der christlichen Ikonografie bekannten Pietà-Darstellungen Marias, die den Leichnam Christi in ihren Armen hält und beweint“. Auch mit der für die Genremalerei der damaligen Zeit ungewöhnlichen fast lebensgroßen Darstellung der Figuren scheint Henriette Browne christliche Werte wie Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft zu inszenieren.

"Die barmherzigen Schwestern" von Henriette Browne. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

„Die Feminisierung der christlichen Lebenswelt, die Darstellung der Frau als Hort des Gefühls und der Fürsorge – ein Modethema“, so Markus Bertsch, Leiter der Sammlung 19. Jahrhundert. Für ihn war von Anfang an „klar, dass dieses Bild in den Makart-Saal gehört: Es ist groß und kraftvoll, und es betont das Gefüh­lige, den Appell an die Betrachter, Empathie zu empfinden“. Heute stehe das Bild eher unter „Kitschverdacht“.

Henriette Browne stammte aus wohlhabenden Verhältnissen

Auch dass Henriette Browne, aus wohlhabenden Verhältnissen stammend und mit privatem Zeichenunterricht bedacht, eine der wenigen berühmten Malerinnen ihrer Zeit war, habe sie prädestiniert. Der Erfolg, den die Malerin zu Lebzeiten in Frankreich und vor allem in England hatte (der Grund für ihr englisches Pseudonym), setzte sich nach ihrem Tod nicht fort; sie geriet in Vergessenheit.

Zwar setzte Henriette Browne in ihren Bildern aktuelle soziale Realität um – wie etwa die Ordensschwestern, die sich seit dem 17. Jahrhundert in der Armenfürsorge engagierten – doch ging sie dabei nicht über die rein ästhetische, sentimentale Darstellung hinaus. Sozialkritik war ihr Thema nicht.