Hamburg. Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Alexander Klar „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: eine Zeichnung von Max Klinger.

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Einmal die Woche spielen Hamburgs Kunsthallen-Direktor Alexander Klar und Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider „Ich sehe was, was du nicht siehst“ – und zwar mit einem Kunstwerk. Eine halbe Stunde schauen sich die beiden ein Gemälde, eine Fotografie oder eine Skulptur an und reden darüber: „Ein Gespräch ist die beste Möglichkeit, Kunst zu erschließen“, sagt Alexander Klar.

„Du kannst hier nicht durch“, scheint das Tier in der Bildmitte von Max Klingers Federzeichnung „Die Zukunft“ (Der Tiger in der Felsenschlucht) aus dem Jahr 1879 zu suggerieren. Gefährlich und bedrohlich sitzt die Raubkatze da als wäre sie sich ihrer Stärke voll bewusst. Eingerahmt wird sie von engen Felswänden, die ein Ausweichen unmöglich erscheinen lassen.

Erst 1989 wurde das Bild erstmals ausgestellt. Gekauft hat es Alfred Lichtwark, der frühere Direktor der Kunsthalle, aber schon 1895. Er war von Klinger sehr angetan, der ihm wiederum ein Exemplar seiner Kunsttheorie „Malerei und Zeichnung“ schenkte, die sich ebenfalls in der Kunsthalle in der Bibliothek befindet.

„Die Zukunft (Der Tiger in der Felsenschlucht)“, eine Zeichnung von Max Klinger.
„Die Zukunft (Der Tiger in der Felsenschlucht)“, eine Zeichnung von Max Klinger. © © Hamburger Kunsthalle / bpk Christoph Irrgang

Die Zeichnung gilt als Vorstudie zur Radierung „Erste Zukunft“, die wiederum zum grafischen Zyklus „Eva und die Zukunft“ (Opus III) gehört. Darin thematisiert Klinger drei Episoden aus dem Leben von Adam und Eva. Sie endet mit „Dritte Zukunft“, die den Tod zeigt, der mit einem Pflasterhammer die Toten unter die Erde rammt.

Klinger wurde auch als „deutscher Michelangelo“ bezeichnet

Klinger (1857-1920) genoss unter seinen Zeitgenossen ein hohes Ansehen, man nannte ihn auch den „deutschen Michelangelo“. Auch mit Albrecht Dürer hat man ihn verglichen. Er gilt als Vertreter des Symbolismus. Max Beckmann, Käthe Kollwitz und Max Ernst haben sich auf sein Werk bezogen.

Klinger schuf auch das Gemälde „Meergötter in der Brandung“, das ebenfalls in der Kunsthalle zu sehen ist, und Skulpturen. Besonders bekannt war er aber für seine Druckgrafiken. Die Kunsthalle zeigt ebenfalls seine drastische Zeichnung „Alpdrücken“ von 1879. Es zeigt einen geköpften neben einem schlafenden Mann, der die Gesichtszüge des Künstlers trägt. Klinger hat sich häufiger mit Albträumen und Chimären beschäftigt. Man vermutet, dass die Traumbilder Goyas ihn dazu angeregt haben. Zeichnungen, schrieb Klinger in seiner Kunsttheorie, seien besonders gut geeignet, um „die dunkle Seite des Lebens“ darzustellen. Er selbst nannte diese Bilder selbstironisch „Griffelkunst“.

Klingers Werk gilt als vielseitig und facettenreich

Als bedeutsam gelten auch die Bilder aus Klingers letztem Zyklus „Zelt“ (1916), in dem er die Abenteuergeschichte einer erotisch-sinnlichen Schönheit im orientalischen Milieu erzählt.

Geboren wurde Klinger in Leipzig. Sein Werk gilt als vielseitig und facettenreich. Von ihm stammt auch das Brahms-Denkmal für die Laeiszhalle, das ursprünglich in Wien aufgestellt werden sollte. Lichtwark wollte gern, dass Klinger einen ganzen Raum in der Kunsthalle ausgestaltete. Das ließ sich aber nicht realisieren.

Der Chemnitzer Industrielle Hans Vogel war einer der Förderer Klingers. Seine Kinder verkauften später einige der Bilder an die Sammlung für das von Adolf Hitler in Linz geplante „Führermuseum“. Kurz nach seinem Tod 1920 war Klinger nur noch Spezialisten bekannt. In den 1980er-Jahren erlebte sein Werk aber ein Comeback.

Dieses und weitere Werke finden Sie in der Online-Sammlung der Hamburger Kunsthalle