Hamburg. Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Klar “Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: Daniel Richters „Fatifa“.

Zehn Jahre ist es her, da sagte der noch nie durch Wortkargheit aufgefallene Maler Daniel Richter in einem Abendblatt-Interview sinngemäß: Alles klar, man sieht sich, Leute. War schön hier, ist es aber nicht mehr. Die Kulturpolitik in Hamburg: ein Desaster. Dann ging Richter nach Berlin, weil er nicht „zum Udo Lindenberg der Malerei“ werden wolle, und hier sei es „wahnsinnig langweilig“.

Auch wenn Richters Bekanntheit mitunter ins Popstarhafte tendierte, unbequem, politisch gallig und formulierungsgeschmeidig war und blieb dieser Künstler immer. Eine seiner letzten hiesigen Aktionen war die Schirmherrschaft für die Besetzung des Gängeviertels gewesen. Seit seiner Abreise im Zorn muss man noch länger darüber nachdenken, welche Maler-Persönlichkeit mit vergleichbarem Charisma und ähnlicher Bedeutung noch in Hamburg wohnhaft sein könnte.

„Fatifa“prangert ein Gesellschaftsproblem an

Die Kunsthalle erinnerte 2007 mit einer Werkschau daran, dass der in Eutin geborene Maler einen prägenden Teil seines Werdegangs als Student an der HfBK durchlebte. Bleibende, gebliebene Erinnerung ist „Fatifa“, eines dieser Bilder, das mit seiner amorphen Farbglut schnell als echter Richter (Daniel, nicht Gerhard, weder verwandt noch verschwägert) zu erkennen ist.

2005 entstanden, prangert „Fatifa“ ein Gesellschaftsproblem an, das auch 2020 noch ungelöst ist. Es zeigt schemenhafte Gestalten in einem Schlauchboot, graffitös bunt, wie durch eine psychedelisch überdrehte Infrarot-Kamera betrachtet.

Daniel Richters Gemälde „Fatifa“ (2005, Öl auf Leinwand, 330 x 266 cm)
Daniel Richters Gemälde „Fatifa“ (2005, Öl auf Leinwand, 330 x 266 cm) © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Foto: Jochen Littkemann | VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Foto: Jochen Littkemann

Doch das ist kein fröhlich-harmloses Formen- und Farbenspielchen, sondern tödlicher Ernst. „Fatifa“ ist Richters dritte wütende Formulierung einer Anklageschrift. Denn dieser gemalte Schnappschuss zeigt – nach den Vorgänger-Arbeiten „Tarifa“ (2001) und „Bas“ (2002) – Flüchtende, wie man sie von Pressefotos kennt. Menschen, die von Nordafrika aus über die Straße von Gibraltar nach Spanien wollen. Ihr Schlauchboot, durch Scheinwerferlicht bei der Flucht ertappt, ist eben kein fliegender Teppich, der pechschwarze Himmel ist genau das eben nicht.

„Fatifa“ ist ein beklemmendes, zeitlos wichtiges Bild, so ikonisch wie die elegante Rückenansicht-Pose eines anonymen Punks mit „Fuck The Police“ auf dem Lederjacken-Rücken. Richters Darstellung eines entfernten Verwandten von Caspar David Friedrichs „Wanderer“, schmückt das Cover von „Lenin“, dem ein Jahr nach „Fatifa“ erschienenen Studio-Album der Hamburger Band Die Goldenen Zitronen.