Hamburg. Lars Haider spielt mit dem Kunsthallen-Direktor “Ich sehe was, was du nicht siehst“. Diesmal ein Bild für die Ohren?

Fast, aber nur fast, könnte man glauben, dieses Bild wäre eine frühe, verschwommene Fotografie: Das von der Sonne beleuchtete Weizenfeld, das Grün der Gemüse-Anbauflächen, die Baumgruppen – und über allem ein blauer Himmel, der mit einigen Wolken garniert ist und durch die Bewegung in seinem Blau Dynamik sanft andeutet.

Der Blick des Betrachters wird auf einen Fluchtpunkt am Horizont gerichtet, verschwommene Konturen, die nicht ins Detail gehen, aber eine klare Aussage: Natur. Heimat. Menschenleere Unberührtheit. Die Ackerfläche kann auch als Symbol des Aufblühens verstanden werden, als Chiffre für Aufbruch und Neubeginn.

Leise Kunst: Sisleys „Kornfeld bei Argenteuil“

Plakativ, laut oder gar aufdringlich ist nichts an Alfred Sisleys „Kornfeld bei Argenteuil“, das er 1873 malte. Kein Wunder, dass Vincent van Gogh seinem Bruder über den 1839 geborenen Alfred Sisley schrieb, dieser Maler sei der „schüchternste und sanfteste der Impressionisten“. Sisley war der Sohn englischer Eltern, sein Vater war ein vermögender Kaufmann, seine Schulbildung erhielt der junge Alfred in London. Doch anstatt ebenfalls Kaufmann zu werden, drängte es ihn zu Pinsel und Farbe. Durch seine Arbeit lernte er Pierre-August Renoir und Claude Monet kennen.

Argenteuil also. Ein kleiner Ort, am rechten Ufer der Seine, nordwestlich von Paris, im Oise-Tal. Für das Pariser Bürgertum waren dieses Städtchen und seine Umgebung damals ein beliebtes Ausflugsziel, um dem Trubel der Me­tropole zu entkommen. Auch viele Maler machten sich der Motive wegen gern auf den Weg in diese Region. Ein berühmtes Beispiel war Monet, der 1871 nach Argenteuil zog und dort zwei Jahre später die „Eisenbahnbrücke von Argenteuil“ malte, eine Stahlbrücke, die über die Seine führte, als Symbol des industriellen Fortschritts. Sisley hat ihn dort mehrmals besucht. Mehrere Arbeiten der beiden entstanden in jener Zeit. Sisleys Landschaftsbilder, die er zwischen 1872 und 1874 malte, gelten als seine empfindsamsten und gelungensten Arbeiten. Dieses Kornfeld, höchstens auf den ersten Blick unspektakulär, ist ein Prachtbeispiel seiner leisen Kunst.

Dieses und weitere Gemälde können Sie auch hier in der Online-Sammlung der Kunsthalle sehen.