Hamburg. Vor dem Sandhausen-Spiel sprechen David und Christian Kinsombi über ihre Kindheit, ihre Wurzeln im Kongo und eine teure Tor-Wette.

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Christian Kinsombi saß in seiner Wohnung auf dem Fahrradergometer und schaute am Fernseher zu, wie sein Bruder David zusammen mit den Mitspielern des HSV eine Ehrenrunde drehte. Wegen einer Corona-Infektion musste der Flügelspieler des SV Sandhausen am Wochenende in Isolation bleiben. Dort sah er im TV, wie sein Bruder am Sonnabend einen 2:0-Heimsieg gegen den FC Heidenheim feierte und tags darauf seine Sandhäuser beim 0:0 in Ingolstadt einen wichtigen Punkt im Kampf gegen den Abstieg holten.

Rechtzeitig zum nächsten Spiel am Sonnabend (13.30 Uhr) will der kleine Kinsombi-Bruder wieder auf dem Rasen stehen. Dann steht das Familienduell an. Sandhausen gegen den HSV. Oder anders ausgedrückt: Kinsombi gegen Kinsombi.

HSV: Die Kinsombis sind „Käfig“-Spieler

Schon fünf Tage vor dem Treffen im BWT-Stadion am Hardtwald kam es zum verbalen Warmup der beiden Brüder. Im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ schalteten sich David (26) und Christian (22) per Zoom zusammen, um nicht nur über das Duell am Wochenende zu sprechen, sondern auch über ihre gemeinsame Geschichte. „David hat mich geprägt, er war ausschlaggebend für meine Karriere“, sagt der kleine Bruder über seinen großen.

Angefangen hat alles eine Autostunde von Sandhausen entfernt im Wiesbadener Stadtteil Westend. Auf dem Bolzplatz an der Bertramstraße lernte David das Fußballspielen. „Der berühmte Käfig“, wie er ihn heute nennt. Und immer mit dabei: sein dreieinhalb Jahre jüngerer Bruder Christian. „Ich habe Chris immer gerne mitgeschleppt. Er hat ja auch was draufgehabt. Er war ein Schnicker, hat oft die Hacke benutzt.“

Zusammen mit ihren Schwestern Helga und Sara verbrachten sie ihre Kindheit mitten in der hessischen Landeshauptstadt. Ihre Eltern waren Anfang der 90er-Jahre vor dem Bürgerkrieg im Kongo nach Deutschland geflohen. Und diese legten bei der Erziehung ihrer Kinder großen Wert auf Disziplin. Während David schon früh ein Musterschüler war und sich auf seine Karriere als Fußballer fokussierte, brauchte Christian die eine oder andere Lektion seines großen Buders. „Wenn ich ehrlich bin, musste mir David schon ab und an die Ohren lang ziehen. Aber ich habe mich mittlerweile gefangen. Trotzdem muss ich sagen: David hat mich geprägt. Ich habe mich immer an ihm orientiert. Er war ein Vorbild für mich.“

So verlief die Karriere der Kinsombis

Christian eiferte seinem Bruder in fast allen Bereichen nach. Er folgte ihm nicht nur in die Jugend von Wehen Wiesbaden, sondern später auch in den Nachwuchs von Mainz 05. Hier schafften beide den Sprung in den Profifußball. Beide wurden zu Auswahl-Lehrgängen des Deutschen Fußball-Bundes eingeladen.

Während David zunächst die schnellere Karriere machte und mit 18 bei Eintracht Frankfurt als Linksverteidiger in der Bundesliga debütierte, arbeitete sich Christian Schritt für Schritt über die Regionalliga mit Mainz II und die Dritte Liga beim KFC Uerdingen nach oben. Im vergangenen Sommer folgte die Unterschrift in Sandhausen. Nun sind die Brüder nicht nur beide Teilzeitstudenten in Marketing (David) und Sportmanagement (Christian), sondern spielen auch in derselben Liga.

Im Hinspiel in Hamburg kam es zum ersten direkten Duell. David hatte in der 74. Minute gerade per Elfmeter zum 1:0 getroffen, als Christian für die Schlussphase eingewechselt wurde. „Ich hatte vor dem Spiel noch zu Dennis Diekmeier gesagt, dass ein Kinsombi an diesem Tag trifft“, erzählt Christian, dessen Sandhäuser zwei Minuten vor Schluss zum Ausgleich trafen. Doch in der sechsten Minute der Nachspielzeit schoss Moritz Heyer den HSV-Siegtreffer.

Auf der Tribüne im Volksparkstadion jubelte Mama Kinsombi für ihren David – und tröstete ihren Christian. Beide schenkten der Mutter das Trikot ihres ersten Duells. Am Sonnabend in Sandhausen will dann die gesamte Familie auf der Tribüne sitzen. Auch die zwei Schwestern, die noch in Wiesbaden wohnen. „Wir sind sehr verbunden mit unserer Heimat“, sagt David, der mit seinen Geschwistern nicht nur deutsch, sondern auch das kongolesische Lingala spricht.

Kinsombi hätte Bruder im Winter zum HSV geholt

Ein Großteil der Familie Kinsombi lebt noch im Kongo. Weder David noch Christian waren bislang dort. Geplante Reisen mussten sie immer kurzfristig absagen, weil der Fußball dazwischen kam. Möglicherweise werden sie irgendwann in den Kongo fliegen, um für die Nationalmannschaft zu spielen. Bislang gab es zum Verband noch keinen Kontakt. Vorstellen könnten sich es beide Brüder, für das Land ihrer Eltern zu spielen. „Es wäre schon cool, mal ein Nationaltrikot zu tragen“, sagt David, der vor zehn Jahren drei Länderspiele für die deutsche U18 machte.

Für seinen Bruder wäre es dagegen das größte, mal mit David in einem Team zu spielen. „Das wäre ein Traum. Ich kann mir kaum etwas Schöneres vorstellen“, sagt Christian, der als schneller Flügelstürmer in der Winterpause auch bei den Kaderplanern des HSV auf dem Radar hätte stehen können. „Wenn ich in der Position wäre, hätte ich Chris schon geholt. Ich halte viel von ihm, als Mensch und auch als Fußballer“, sagt David, der seinem Bruder kein schöneres Kompliment hätte machen können.

Zum Ende des Gesprächs geht es dann aber noch einmal um das direkte Duell. Die letzte Tor-Wette hat der kleine Kinsombi verloren, genau wie das erste Spiel. Nun will Christian mit Sandhausen nicht nur den HSV schlagen, sondern auch das schaffen, was ihm beim Monopoly seit Jahren misslingt: seinen großen Bruder ärgern.