Hamburg. Merlin Polzin (30) vom HSV und St. Paulis Loïc Favé (28) zählen zu den innovativsten Co-Trainern. Ein Treffen vor dem Derby.

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St. Paulis Loïc Favé (28) und Merlin Polzin (30) vom HSV kennen sich seit Jahren. Im Abendblatt-Podcast sprechen die beiden Co-Trainer über ihren persönlichen Traum, eine Begegnung mit Jürgen Klopp und das Herz von St. Pauli, das zu einem Missverständnis führte.

Als sich Loïc Favé und Merlin Polzin auf der Dachterrasse des Abendblatts begrüßen, merkt man schnell, dass sich die beiden Trainer nicht zum ersten Mal sehen. „Wir müssen uns endlich mal zum Kaffee treffen“, sagt Polzin, der Co-Trainer von Daniel Thioune beim HSV. „Ich hoffe, das geht bald wieder“, sagt Favé, der Assistenztrainer von Timo Schultz beim FC St. Pauli.

Vorm Stadtduell treffen sich die beiden Hamburger im Abendblatt-Podcast

Favé, 28 Jahre jung, ausgebildet beim Eimsbütteler TV, steht im Kapuzenpullover mit dem Totenkopf-Emblem seinem Kollegen gegenüber. Polzin, 30 Jahre alt, ausgebildet beim Bramfelder SV, trägt den Hoodie mit der HSV-Raute. Schon am Montagabend werden sich die beiden wiedersehen, wenn am Millerntor das 105. Derby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV angepfiffen wird. Vor dem Stadtduell trafen sich die beiden gebürtigen Hamburger im Abendblatt-Podcast zum Verbalduell.

Doch schnell wird dabei klar, dass die beiden in ihrem jungen Alter nicht im Trainerstab der größten Hamburger Fußballclubs gelandet sind, weil sie großen Wert auf markige Worte legen. Favé und Polzin sind in ihre Position gelangt, weil sie durch ihre inhaltliche Arbeit überzeugten. „Es geht uns nicht um Kampfansagen, weil wir uns auch persönlich sehr schätzen“, sagt Polzin, der genau wie sein Trainerkollege auf verbale Spitzeln verzichtet. „Wir spüren beide einfach nur eine große Vorfreude.“

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Als die beiden sich vor sechs Jahren das erste Mal trafen, trainierte Favé die U17 von Eimsbüttel, Polzin war bereits Co-Trainer von Thioune in der B-Jugend des VfL Osnabrück. Schon damals fielen die beiden in der U-17-Regionalliga durch ihre innovativen Ideen auf. Mit seinen Videoanalysen der Gegner schaffte es Polzin auch, die Verbindung zu Thioune aufzubauen. Als der Bramfelder für ein Lehramtsstudium in Deutsch und Sport zum Wintersemester 2011/12 nach Osnabrück zog, stellte er sich beim Training einfach mal vor und bot Thioune an, ein Taktikprofil der Hamburger Gegner zu erstellen. Polzin überzeugte Thioune – und arbeitet nun schon seit 2014 Seite an Seite mit dem HSV-Cheftrainer.

Mit der eigenen Karriere war es für Polzin dagegen schnell vorbei. Arthrose in den Zehen sorgte dafür, dass mit dem Fußballspielen früh aufhörte. Auch Favé merkte mit Anfang 20, dass er sich entscheiden muss zwischen der Trainer- und der Spielerkarriere. „Beides auf einmal ging nicht“, sagt er heute. Mit 18 stand er im Kader der ETV-Mannschaft, die im DFB-Pokal gegen Greuther Fürth spielte. Doch die Entscheidung fiel auf die Trainerlaufbahn. Favé entwickelte sich mit seinen neuen Methoden schnell zu einem der spannendsten Trainer im Hamburger Amateurfußball. Sein Projekt „Skillshirtz“, mit dem die kognitiven Fähigkeiten optimiert werden, sorgte international für Aufmerksamkeit.

In Frankreich klingelte das Telefon, Schultz war dran

Auch Timo Schultz wurde auf Favé aufmerksam, als er mit der U17 und der U19 mehrfach auf den ETV traf. Im vergangenen Sommer klingelte dann Favés Handy, als er gerade in seiner zweiten Heimat Frankreich bei den Großeltern in der Bretagne Urlaub machte. Schultz war in der Leitung und fragte ihn, ob er zur neuen Saison sein Co-Trainer bei den Profis des FC St. Pauli werden wolle. Favé wollte. „Ich bin gleich am nächsten Tag in den Flieger nach Hamburg gestiegen. Zum Glück hatte ich schon zehn Tage Urlaub gemacht. Sonst wären meine Großeltern sicher sauer gewesen“, erzählt Favé, dessen Mutter Französin ist.

Fast zum gleichen Zeitpunkt meldete sich auch Thioune bei Polzin auf dem Mobiltelefon. Der HSV wolle ihn verpflichten. Und er könne ihn begleiten. „Für mich war das im ersten Moment gar nicht greifbar“, sagt Polzin neun Monate später. Als Kind hatte er in HSV-Bettwäsche geschlafen. Mit seinem Bruder Robin (28), der noch heute als Mittelstürmer beim Bramfelder SV spielt, stand er als Jugendlicher im Volksparkstadion auf der Nordtribüne. Sogar beim Derby 2010 am Millerntor, als Mladen Petric dem HSV kurz vor Schluss mit seinem Traumtor einen Punkt rettete, war Polzin im Gästeblock dabei und jubelte.

Am Montag kehrt Polzin als Co-Trainer der Profis ans Millerntor zurück. „Jeden Tag, wenn ich zur Arbeit fahre, auf dem Trainingsplatz stehe und zum Stadion hochgucke, denke ich: Was für ein Traum, der hier in Erfüllung geht. Gleichzeitig ist die Motivation umso höher, gute Arbeit abzuliefern und sich jeden Tag zu entwickeln“, sagt er.

Johannes B. Kerner stellte den Kontakt zu Jürgen Klopp her

Favé schlief als Kind zwar weder in HSV- noch in St.-Pauli-Bettwäsche, weil er für Olympique Marseille und die französische Nationalmannschaft fieberte. Doch auch er besuchte regelmäßig die Stadien am Millerntor und im Volkspark. Als er 18 war und gerade seine erste Mannschaft trainierte, lernte er sogar Jürgen Klopp kennen. TV-Moderator Johannes B. Kerner, dessen Sohn Favé beim ETV trainierte, stellte ihm den Kontakt her und gab ihm Klopps Handynummer.

Zusammen mit einem Kollegen fuhr Favé nach Dortmund, um dem damaligen BVB-Trainer beim Training zu beobachten. Doch mehr als die Zuschauerrolle aus der Ferne war zunächst nicht möglich. Also wählte Favé am Abend Klopps Nummer. „Ich dachte, dass kann es nicht gewesen sein. Dafür sind wir nicht extra nach Dortmund gereist.“ Klopp, der gerade ein Champions-League-Spiel schaute, ging gleich ans Telefon. „Er hat mir dann sofort angeboten, uns am nächsten Tag am Hotel abzuholen und zum Training mitzunehmen. Das war schon extrem cool.“

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"Herz für die Stadt, aber für den Fußballverein eher weniger"

Gleich in ihren ersten Monaten lernten Favé und Polzin bei St. Pauli und dem HSV aber auch, dass es nicht immer steil bergauf geht. St. Pauli war zur Winterpause Vorletzter, der HSV blieb zwischenzeitlich fünf Spiele ohne Sieg. In den Medien wurde bereits diskutiert, ob die Co-Trainer bei St. Pauli – der zweite Assistent Fabian Hürzeler wurde am Freitag auch erst 28 – nicht doch noch zu jung seien.

Und Polzin musste gerade erst wieder in einer Boulevardzeitung lesen, dass er das Herz von St. Pauli am lautesten mitsingt, wenn es mal irgendwo gespielt wird. „Das wurde aus dem Zusammenhang gerissen“, klärt Polzin auf, nachdem er noch in seiner Zeit bei Osnabrück gefragt wurde, ob er Verbindungen zu St. Pauli hätte. „Ich habe ein Herz für die Stadt, aber für den Fußballverein eher weniger“, sagt er heute.

Hören wird er das Lied in jedem Fall am Montag wieder am Millerntor, auch wenn kein Zuschauer im Stadion mitsingen kann. „In Hamburg, da bin zu Haus“, heißt es in einer Strophe. Ein Satz, mit dem sich sowohl Polzin als auch Favé in jedem Fall identifizieren können.