Hamburg. Und wie wohnst du so? In der neuen Folge unseres Podcasts erzählt eine Rentnerin, warum sie so gern in Altona-Nord lebt.

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Das mit einer Plane bespannte Baugerüst lässt nur erahnen, dass sich dahinter ein schöner Altbau befindet. Die Neubauten in unmittelbarer Nähe zeigen hingegen, dass in dieser Ecke von Altona-Nord, wo mit Eimsbüttel und der Schanze gleich drei Stadtteile aufeinander treffen, so einiges im Wandel ist. Eine, die über Jahrzehnte die Veränderungen in dieser Gegend mitbekommen hat, ist Renate Horn. Das Besondere: Seit 70 Jahren wohnt sie bereits im selben Haus, 50 davon sogar in derselben Wohnung.

Im Treppenhaus stehen angekettete Kinderwagen. Horn wohnt im zweiten Stock. Vier Zimmer und zwei kleine Balkone verteilt auf 68 Quadratmeter. Seit ihr Mann vor 16 Jahren gestorben ist, bewohnt sie die Altbauwohnung allein und kommt dabei gut zurecht. Doch die Corona-Krise und der damit verbundene erste Lockdown haben auch ihr einiges abverlangt. „Sowas habe ich wirklich noch nicht erlebt. Es war ein Schock und es war schlimm für mich, weil ich meine Freundinnen kaum sehen konnte“, sagt die 75-Jährige.

Nicht einsam trotz Corona: "Ich habe ganz liebe Mieter im Haus"

Einsam habe sie sich dennoch nicht gefühlt. „Ich habe viel telefoniert und ich habe ganz liebe Mieter im Haus, die sich um mich gekümmert haben. Die haben immer wieder geklingelt und gefragt, wie es mir geht und ob sie was für mich einkaufen sollen.“ Insofern könne sie selbst der Krise etwas Positives abgewinnen. „Es war ein schönes Erlebnis, was ich durch Corona erfahren durfte.“

Ob sie ihre eigenen vier Wände in der vielen Zeit zu Hause noch einmal anders kennengelernt hat? „Ja, das habe ich. Ich habe währenddessen auch viel an die Zeit gedacht, als mein Sohn noch zu Hause war und mein Mann noch lebte.“ Verändert habe sie in der Wohnung jedoch nichts. „Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe und ich fühle mich hier wohl. Auch in der Zeit, in der ich alleine war und nicht raus konnte.“

Woanders wohnen? "Ich bin mit Altona Nord verwachsen"

Um sich abzulenken, habe sie neben dem Telefonieren auch viele Whatsapp-Nachrichten verschickt und Fotos auf ihrem Tablet durchgeguckt. „Das hat mir Spaß gebracht.“ Die größte Freude sei es jedoch gewesen, nach den ersten Lockerungen ihren Sohn und die Schwiegertochter wiederzusehen, die bei Lüneburg wohnen. „Ich habe mich ganz doll gefreut, dass ich sie endlich wieder in den Arm nehmen konnte.“ Ein weiteres Glücksgefühl: „Was ich mir nicht habe nehmen lassen als es langsam Lockerungen gab war, wieder zum Friseur zu gehen. Das war eine richtige Freude“, sagt sie und lacht.

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Die Frage, ob sie in all den Jahren jemals den Wunsch verspürt habe auszuziehen, verneint sie vehement. „Ich bin mit Altona Nord verwachsen. Ich könnte mir nicht vorstellen, woanders zu wohnen. Vielleicht im Alter, wenn ich nicht mehr kann, dann müsste ich zu meinen Kindern nach Lüneburg, aber ansonsten möchte ich nirgendwo anders hinziehen.“ Und auch die Menschen in ihrem Viertel scheinen sich das nicht vorstellen zu können. „Jeder ist freundlich, jeder ist höflich, jeder begrüßt mich. Mich kennt hier einfach jeder. Ich brauche nur auf die Straße gehen, treffe jemanden und wir reden.“

"Heute ist die Schanze nichts mehr für mich"

Während heute acht Parteien in dem Mietshaus wohnen, habe es früher ein Lebensmittelgeschäft im Erdgeschoss gegeben. „Das hat richtig geboomt. Die Kunden haben draußen bis zur Straße gestanden“, erinnert sie sich und fügt hinzu: „Hier hat sich viel verändert. Aber zum Guten.“ Auch grüner sei es mit den Jahren geworden. „Es gibt viel mehr Bäume.“ Eine Entwicklung ein paar Hundert Meter die Straße hoch missfalle ihr jedoch. „Das Schulterblatt war früher richtig gut, aber heute ist die Schanze nichts mehr für mich.“ Zu viele Geschäfte, zu viele Menschen.

Auf Altona-Nord lasse sie hingegen nichts kommen. „Es gibt zwar schönere Stadtteile wie Blankenese, aber für mich ist das einfach der beste Stadtteil. Ich habe auch im Rathaus Altona geheiratet, weil es das schönste Rathaus zum Heiraten ist.“ Selbst ein Lottogewinn würde sie nicht dazu bewegen, ihre Wohnung zu verlassen. „Dann würde ich sparen, falls ich mal ins Heim muss und meinen Kindern was geben, aber ich bin hier glücklich, weil ich das mit meinem Mann alles aufgebaut habe.“

Wie man eine Wohnung bekommt – ein Tipp von der "Hausmutti"

Zusammen haben sie auch die Hausmeisteraufgaben übernommen. Horn tut es bis heute. „Jetzt mache ich aber nicht mehr so viel.“ Wer einziehen will, muss dennoch nach wie vor nicht nur die Vermieterin, sondern auch die Hauswartin überzeugen. Woran sie erkennt, ob potenzielle neue Mieter in die Hausgemeinschaft passen? „Das merkt man. Auf einige Dinge muss man achten, zum Beispiel, dass sie nicht überkandidelt oder eingebildet sind. Das sehe ich aber, weil ich das schon so lange mache und bis jetzt haben wir noch nie einen Fehltritt gemacht.“ Ihr Tipp für Wohnungssuchende? „Man soll sich so geben, wie man ist und sich nicht verstellen. Das ist die beste Möglichkeit, um eine Wohnung zu kriegen.“

Während die 75-Jährige heute zu den ältesten Mietern gehört, erinnert sie sich noch gut an die Zeit, als es umgekehrt war. „Früher haben wir regelmäßig mit den älteren Herrschaften zusammen gesessen. Da waren mein Mann und ich die Jüngsten. Jetzt bin ich die Älteste, quasi die Hausmutti. Und die Rolle liebe ich.“ Auch für den Altbau nebenan, der mit ihrem Mietshaus durch einen Dachboden verbunden ist, sei sie zuständig.

Baulärm? Macht nichts, so wir das Haus "wieder picobello"

Dass die beiden Häuser inmitten von Neubauten noch stehen, gleicht einem Wunder. „Zwei Mieter haben diese beiden Häuser hier gerettet, weil sie ihr Leben riskiert haben, als sie im zweiten Weltkrieg eine Bombe aus einer Wohnung geholt und aus dem Fenster geschmissen haben.“ Als Kind habe Horn die beiden kennengelernt und die Geschichte von ihnen erfahren. Heute erzählt sie den jungen Mietern gern von der Historie des Hauses.

Während Baulärm ertönt, bleibt sie gelassen. An der Baustelle direkt vor ihrem Fenster störe sie sich nicht. Im Gegenteil. Sie wohne eben in einem Altbau und auch zu den Handwerkern habe sie einen guten Draht. „Die Fassade wird gerade saniert. Die Risse werden zugemacht und alles schön gestrichen, dann ist das Haus wieder piccobello.“

Der Podcast:

  • „Hausbesuch“ ist die neue Wohn-Gesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Sparda-Bank Hamburg. Explodierende Mieten, ein vielerorts leer gefegter Wohnungsmarkt – Wohnen ist zu einem der drängendsten Themen avanciert. Doch wie wohnt es sich eigentlich auf St. Pauli oder in Sasel? Allein, zu zweit, zu zehnt? Im Mehrgenerationenhaus oder der Einzimmerwohnung? Das erzählen Menschen uns vor Ort – ihren eigenen vier Wänden. Ein Stadtgespräch auf Mikroebene. Diese Folge und alle weiteren Episoden hören Sie auf www.abendblatt.de/podcast Sie haben Lust, Ihr Wohnkonzept vorzustellen? Schreiben Sie an chefredaktion@abendblatt.de