Eimsbüttel. Und wie wohnst du so? Hamburger erzählen im neuen Wohnpodcast, wie sie leben. Folge 1: Die Sechser-WG in Eimsbüttel.

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Ein etwas unscheinbarer, nach hinten versetzter Hauseingang markiert den Weg in ein mit Graffiti beschmiertes Treppenhaus. Aus der geöffneten Tür im ersten Stock dringen Stimmengewirr und Gelächter.

Beim Betreten der Wohnung fällt der Blick zunächst auf eine Schrankwand mit Schuhen, die bis unter die Decke reicht. Von dem langen Flur, in dem Wäscheständer stehen, leere Pfandflaschen in ein Regal sortiert sind und Leuchtklebestreifen an der Wand als Reminiszenz an die letzte Party erhalten geblieben sind, gehen links und rechts je drei Zimmer ab.

Neuer Abendblatt-Podcast „Hausbesuch“: Einblick ins WG-Leben

Hier an der Osterstraße, im Herzen von Eimsbüttel, wohnen Matthias Wehle, Niklas Harbich, Zina Rupp, Emma Othmer, Julian Friedemann und Julian Aisenbrey in einer Sechser-WG. Vier der Bewohner gewähren im „Hausbesuch“, dem neuen Podcast von Hamburger Abendblatt und Sparda-Bank Hamburg, einen Einblick in ihr WG-Leben.

Sechs Zimmer, zwei Bäder, eine Küche, ein „Wohnflur“ und das Herzstück, der 36 Quadratmeter große Balkon, verteilen sich auf einer Wohnfläche von rund 120 Quadratmetern. Seit acht Jahren wird die Wohnung von Wohngemeinschaften bewohnt. Die Fluktuation der Auszüge betrage in der Regel anderthalb bis zwei Jahre, sagt Matthias, der mit fünf Jahren, die er bereits in der WG wohnt, eine Ausnahme bildet. Der 26-Jährige ist gelernter Koch und bezeichnet sich selbst als „Opa der Wohnung“.

Nachbarn beschweren sich über anonyme Briefe

Im Haus gebe es noch zwei weitere große WGs. Das Zusammenleben mit den Nachbarn sei harmonisch. „Es ist nicht die Regel, dass wir hier viel zu laut sind“, sagt Niklas. Der 24 Jahre alte Landschaftsgärtner wohnt seit etwas mehr als einem Jahr in der quirligen Sechser-WG. Beschwerden gebe es nur manchmal von Nachbarn, die gegenüber in den zum Innenhof gelegenen Häusern wohnen.

Sie machen ihrem Unmut auch mal über anonyme Briefe Luft, die die Bewohner kurzerhand an der großen Fotowand aufgehängt haben.

Wenn jeder Freunde zu Besuch hat, kann es eng werden

Was das Besondere an der WG ist? „Dass wir uns alle so gerne haben und so viel Zeit miteinander verbringen. Man fühlt sich einfach zu Hause“, sagt die 22 Jahre alte Zina. Sie wohnt seit eineinhalb Jahren in der Osterstraßen-WG und studiert Germanistik an der Uni Hamburg. Auch die 24-jährige Kommunikationsdesign-Studentin Emma schätzt das Miteinander in ihrer WG. „Es ist eigentlich immer so, dass irgendwer da ist, mit dem man quatschen kann, wenn man aus seinem Zimmer rausstolpert. Das ist wie eine kleine Familie.“

Bis auf Matthias und Julian A. kannten sich die WG-Bewohner nicht, bevor sie zusammengezogen sind. „Er ist wie alle anderen Freunde von uns aber auch früher schon ein und aus gegangen“, so Matthias über seinen Freund aus Kindertagen, der vor einem halben Jahr eingezogen ist. Wie viele Leute sich im Schnitt in der WG tummeln? „So zehn oder zwölf Leute sind normal. Das kann aber bis zu 20 hochgehen, wenn jeder Freunde zu Besuch hat“, sagt Niklas.

Wichtiges Bewerbungs-Kriterium: Humor

Nicht nur das Vorglühen finde daher präferiert in der Groß-WG statt. „Häufig versacken wir. Wenn man so viel Platz hat und so viele Leute da sind, ist das meistens nett genug“, sagt Niklas. Er ist der einzige Hamburger in der Runde. Emma kommt aus Hannover, Matthias, Julian A. und Zina aus Baden-Württemberg und Julian F. aus Hessen – eine bunte Mischung, so wie die Charaktere selbst.

Da Matthias in Kürze nach Berlin zieht, heißt es derzeit, einen neuen Mitbewohner zu finden. Worauf es bei der Suche ankommt? „Wir sortieren die Bewerbungen vorher ein bisschen und schauen anhand der Texte, ob es passen könnte“, sagt Matthias. Ein wichtiger Punkt sei beispielsweise der Humor.

Mit selbstgebackenem Kuchen kann man beim Casting nicht punkten

Wohnungsanzeigen schalten sie auf dem Onlineportal WG-Gesucht. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt bekommen auch sie zu spüren. „Es ist krass, wie viele Zuschriften man bekommt“, sagt Matthias. „Du musst die Anzeige wirklich nur eine Minute online haben, und es schreiben schon laufend Leute.“

Womit Bewerber vor Ort punkten? „Ich habe ein Sixpack Bier mitgebracht“, sagt Zina und lacht. Selbst gebackener Kuchen komme hingegen nicht so gut an. „Das ist mir zu viel, weil ich nicht möchte, dass die Leute versuchen, sich mit irgendwelchen Goodies besser darzustellen“, so Matthias.

Beim Casting sollen Bewerber ungezwungen zusammenkommen

Manchmal treffen auch mehrere Bewerber aufeinander. „Bei meinem Casting, so nenne ich das jetzt mal, haben wir den ganzen Abend auf dem Balkon gesessen. Ich habe gar nicht verstanden, wer jetzt hier wohnt und wer nicht, aber es war einfach ein total lustiger Abend“, erinnert sich Emma an ihren Einstand.

„Ich glaube, so ist es auch am einfachsten gestaltet, wenn man die Leute ungezwungen zusammenkommen lässt“, meint Niklas. Ob es ihnen lieber ist, wenn jemand fragt, ob er die Schuhe ausziehen soll oder direkt eine Weinflasche auf den Tisch stellt? „Boah, ganz ehrlich, lieber der Wein“, sagt Zina, was auf breite Zustimmung ihrer Mitbewohner trifft.

Ist der Mietpreis ungerechtfertigt für Eimsbüttel?

Ein wichtiger Punkt ist jedoch auch die Miete. „Die Zimmer sind alle einzeln vermietet. Jeder hat einen Hauptmietvertrag mit dem Vermieter“, sagt Niklas. Wie das mit Erhöhungen gehandhabt wird? „Ermessen und Willkür sind dabei.“ Bezogen auf die jeweilige Zimmergröße zahle der Bewohner des kleinsten Zimmers zwar am wenigsten, doch die anderen Zimmer nähmen sich vom Preis nicht viel.

So zahlt Niklas 560 Euro für 22 Quadratmeter und Zina 500 Euro für lediglich 14 Quadratmeter. „Immer wenn jemand Neues einzieht oder wenn man das Zimmer innerhalb der WG wechselt, hat der Vermieter daraufhin die Miete von beiden Zimmern erhöht“, weiß Zina, die selbst vom kleinsten in ein größeres Zimmer gezogen ist.

Ob der hohe Preis durch die gute Lage eher zu verschmerzen ist? „Also eher zu verschmerzen vielleicht schon, aber ich glaube, der Mietpreis ist ungerechtfertigt aufgrund des Hauses, in dem wir wohnen“, sagt Zina. „Die Wohnung kostet insgesamt 3000 Euro. Ich glaube, dass das in Eimsbüttel niemand zahlen würde. Das müsste schon ein krasses Loft sein“, fügt Matthias hinzu.

Der Putzplan hat sich nicht gehalten

„Zwischenbau“, so bezeichnen die Bewohner hingegen das Haus, in dem sie wohnen. „Es ist kein schöner Altbau und kein toller Neubau“, erklärt Niklas. Auch der Renovierungszustand stehe in keinem Verhältnis zur Miete. „Es passiert leider nicht viel, deswegen ist das mit den steigenden Mietpreisen hier in der Wohnung auch ein Thema“, so Matthias.

Was die Sauberkeit in der WG angeht, halten es die Bewohner variabel. „Wir hatten mal einen Putzplan, aber der hat sich selber abgeschafft“, sagt Niklas und fügt hinzu: „Ich glaube, es ist eigentlich ein relativ guter Spagat zwischen man kann mal entspannt was stehen lassen und es verschimmelt nichts.“

Schmutziges Geschirr ist nerviger als lauter Sex

Auch in anderen Bereichen sind die Bewohner entspannt. Ruhe? Findet man trotz dünner Wände. Die Antwort auf die Frage, was nerviger ist, wenn der direkte Zimmernachbar sehr laut Sex hat oder den Abwasch stehen lässt, fällt daher eindeutig aus: „Abwasch.“ Warum, weiß Matthias: „Bei ersterem baut man eine Toleranzgrenze auf.“ Badezimmerzeiten brauche es ebenfalls keine, da alle zu anderen Zeiten aus dem Haus müssen.

Was das Schöne an einer großen WG ist? „Was ich so angenehm daran finde, ist, dass man den Kopf frei kriegt, wenn man nach Hause kommt, weil andere Leute da sind, die andere Themen mitbringen“, sagt Niklas. Emma, die schon mal alleine gewohnt hat, meint: „Ich würde die jetzige Situation immer vorziehen. Es ist viel schöner für mich.“ Und auch in diesem Punkt sind sich alle Mitbewohner einig.

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Der neue Wohnpodcast des Abendblatts

„Hausbesuch“ ist die neue Wohn-Gesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Sparda-Bank Hamburg. Explodierende Mieten, ein vielerorts leer gefegter Wohnungsmarkt – Wohnen ist zu einem der drängendsten Themen avanciert. Doch wie wohnt es sich eigentlich auf St. Pauli oder in Sasel? Allein, zu zweit, zu zehnt? Im Mehrgenerationenhaus oder der Einzimmerwohnung? Das erzählen Menschen Redakteurin Joana Ekrutt in ihren eigenen vier Wänden. Ein Stadtgespräch auf Mikroebene. Diese Folge und alle weiteren Episoden hören Sie auf www.abendblatt.de/podcast Sie haben Lust, Ihr Wohnkonzept vorzustellen? Schreiben Sie an chefredaktion@abendblatt.de.