Hamburg. Im Abendblatt spricht Medienanwalt Prof. Matthias Prinz über den früheren „Bild“-Chefredakteur und Springer-Chef Günter Prinz.

Günter Prinz hat bis heute die Medienlandschaft geprägt wie nur wenige Journalisten. Der langjährige Chefredakteur der „Bild“-Zeitung gründete „Auto-Bild“, „Sport-Bild“, „Bild der Frau“ „Bild kämpft für Sie“ und „Ein Herz für Kinder“. Im neuen Abendblatt-Podcast „Geliebt & Unvergessen“ erinnert sein Sohn Professor Matthias Prinz, einer der international renommiertesten Rechtsanwälte für Presse- und Medienrecht, an seinen kürzlich im Alter von 91 Jahren verstorbenen Vater.

Ihr Vater ist ein Kind der Kriegsgeneration. In Berlin hat er die Bombenangriffe erlebt. Hat er oft darüber erzählt?

Matthias Prinz: Mein Vater hat seinen Vater verloren, als er drei Jahre alt war. Dieser Verlust spielte in seinem Leben eine große Rolle. Er hat sich intensiv um seine eigenen Kinder und Enkel gekümmert. Das lag nicht zuletzt daran, dass er selbst keinen Vater hatte.

Bald musste Günter Prinz als Jugendlicher selbst in die Rolle des Familienoberhauptes hineinwachsen. Wie ist ihm das gelungen?

Die Mutter zog mit ihren beiden kleinen Jungs nach Berlin. Mein Vater hat sich relativ früh um den Lebensunterhalt gekümmert. Wie es damals war, handelte er zum Beispiel auf dem Schwarzmarkt mit Zigaretten.

Prof. Dr. Matthias Prinz
Prof. Dr. Matthias Prinz © imago images / Carsten Dammann | imago stock

Hat er von den Bombenangriffen erzählt?

Ja, es gab grauenhafte Erzählungen, wie sie sich immer wieder in Berlin im Keller verstecken mussten und ein russischer Soldat ihn plötzlich in einem Bunker entdeckte. Der hielt ihn für einen Werwolf, also für ein Mitglied der NS-Untergrundorganisation, und wollte meinen Vater erschießen. Die anderen Menschen im Bunker konnten den Soldaten davon überzeugen, dass er kein Werwolf ist.

In der Nachkriegszeit hat sich Ihr Vater entschieden, Polizeireporter in Berlin zu werden. Warum?

Er musste nach dem Abitur Geld verdienen für die kleine Familie und hatte kein Geld für Ausbildung und Studium. Also begann er als freier Schreiber bei Berliner Zeitungen. Er wurde pro Zeile bezahlt, ohne Volontariat und Berufsausbildung.

Polizeireporter ist kein leichter Job.

Klar, immer Polizeifunk abhören und nachts raus. Als ich ein kleiner Junge war, saß er häufig an meinem Bett, wenn ich schlief, und schrieb auf der Schreibmaschine Kriminalserien für die Zeitungen.

Günter Prinz: "Eine präzise, farbige Sprache"

Was war das Besondere an seinen Texten?

Mein Vater hatte eine sehr präzise, farbige, beschreibende Sprache. Er konnte die Dinge so beschreiben, dass man sie wirklich vor sich sah. Als Schreiber war er ein Künstler – und in der Zusammenfassung von komplizierten Sachverhalten in Titelzeilen.

Diese Eigenschaft braucht man besonders bei der „Bild“. Zehn Jahre lang, von 1971 bis 1981, stand er an ihrer Spitze. Wie haben Sie ihn damals erlebt?

Wir lebten damals zunächst in München, mein Vater machte edle Magazine wie „Twen“, „Eltern“ und „Jasmin“. Dann kam das Angebot von Springer. Die Auflage der „Bild“ war damals auf gut drei Millionen gesunken, und er konnte sie auf über fünf Millionen steigern. Nun war ich, mit 15 oder 16, der Sohn des „Bild“-Zeitungs-Chefredakteurs.

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  • Damals war die „Bild“ aus ethischer Sicht nicht sehr zimperlich.

    Mein Vater hat eine andere „Bild“-Zeitung gemacht als sein Vorgänger Peter Boenisch. Vorher war es eher „Kalter Krieg“. Er hat das Themenspektrum deutlich erweitert, weil er sagte: Ich will das im Blatt haben, was mich selbst interessiert.

    Matthias Prinz: "Ich bin nach Zeile bezahlt worden"

    Ihr Bruder Leonard Prinz macht als Journalist Unternehmenskommunikation und hat eine eigene Agentur. Sie sind Anwalt für Medienrecht. Drückt die Wahl Ihres Berufsweges Distanz zum Beruf des Vaters aus?

    Nein, ich habe während meiner Studienzeit selbst als freier Journalist gearbeitet und bin, wie mein Vater am Anfang, nach Zeilen bezahlt worden. Ich habe damals mit mir gerungen, ob ich Journalist werden soll – oder Rechtsanwalt. Den Ausschlag gab schließlich ein Praktikum bei Bernhard Servatius, dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden des Axel Springer Verlages und privaten Anwalt von Axel Springer. Nach dem Praktikum sagte er mir: „Wenn Sie Journalist werden, werden Sie Ihr ganzes Leben der Sohn Ihres Vaters ein. Wenn Sie Rechtsanwalt werden, machen sie eine eigene Karriere.“ Das war ein guter Rat, dem ich gefolgt bin. Ich habe also dem früheren Aufsichtsratsvorsitzenden des Springer Verlages meine spätere Berufskarriere zu verdanken.

    Für die Juristerei ein Gewinn.

    Mein Vater hatte einen sehr hohen Qualitätsanspruch – an Recherche und an die Sprache. Wir waren da nie weit auseinander. Auch was den Schutz der Privatsphäre und den Schutz vor unwahrer Berichterstattung betrifft. Da war er mir viel näher, als die meisten seiner Kollegen glauben können. Für ihn bedeutete wahrheitsgemäße Berichterstattung journalistische Qualität. Zudem war er ein sehr guter Teamführer, weil er nie etwas von anderen verlangte, was er nicht selbst gemacht hätte. Es war Führungsanspruch durch Qualität.

    Norbert Körzdörfer hat über Ihren Vater geschrieben: „Er war ein Prinz des Journalismus – und so lebte er auch.“ Können Sie die Lebensart ein wenig illustrieren?

    Mein Vater war ein Idol für viele Journalisten – das galt auch für die Optik. Mein Vater fuhr Jaguar mit Chauffeur, und das wollten dann viele auch. Mein Vater hatte neben dem Büro eine Dusche, wo er sich morgens nach dem Tennisspiel im Club an der Alster frisch machen konnte.

    Hat Sie diese Lebensart geprägt?

    Ich habe viel übernommen und von ihm gelernt. Nicht unbedingt die Optik. Er war ein großartiger Mensch. Er hatte unglaubliches Judiz. Er wusste mit seinem Urteilsvermögen bei einer Geschichte genau, wo sie richtig oder falsch ist. Das hat mich sehr geprägt, für gerechte Sachen einzutreten. „Bild kämpft für Sie“ war für ihn der Advokat der kleinen Leute.

    "Aus Verbundenheit gegenüber Axel Springer"

    Am Ende seiner Berufskarriere stand er für einige Monate als Vorstandsvorsitzender an der Spitze des Springer-Verlages.

    Ja, er ist noch einmal zurückgegangen aus Pflichterfüllung und Verbundenheit gegenüber Axel Springer.

    Seine Freizeit verbrachte er in seinem Garten, in dem er auch starb. Was bedeutete ihm dieser Ort?

    Der Garten war sein Ein und Alles. Er hat jede freie Stunde dort verbracht. So einen herrlichen englischen Park wie bei meinem Vater gibt es in ganz Hamburg selten. Er hat ihn stundenlang mit Schippe und in Gummistiefeln bearbeitet. Er liebte Rhododendren. Der Garten ist toll, seine zehn Enkel sind toll. Und er hatte in der City ein Büro, ohne Fahrstuhl. 96 Stufen rauf und runter. Er sagte immer, das Büro gebe ich nicht auf, das ist mein Gesundheitstest.

    Was können junge Journalisten von ihm lernen?

    Gute Qualität, Sorgfalt bei der Recherche, klare Sprache und nicht versuchen, die Leser durch Meinungsjournalismus zu belehren.