Hamburg. Im Abendblatt-Podcast “Geliebt & Unvergessen“ spricht der Sohn der Sängerin aus Barmbek über ihr gesellschaftliches Engagement.

Für den Entertainer Yared Dibaba war sie eine Lehrerin, für Theater-Intendantin Isabella Vértes-Schütter eine „Ausnahmekünstlerin“. Für ihre Kinder war sie Managerin und Mama in einer Person. Die Sängerin Audrey Motaung wurde am 21. Mai 1952 in Pretoria, Südafrika, geboren. Ursprünglich hat sie eine Ausbildung zur Lehrerin gemacht, aber Musik sei ihre große Leidenschaft gewesen, erzählt ihr Sohn Mikaylou Motaung im Abendblatt-Podcast „Geliebt & Unvergessen“. Und ein Mittel, um politische Aussagen zu kommunizieren.

Gesellschaftliches Engagement war schon sehr früh Teil von Audrey Motaungs Leben. Anfang der 1970er-Jahre begann ihre Arbeit als Aktivistin, in Johannesburg setzte sie sich gegen die Apartheid in ihrem Land ein – und wurde in der Folge mit einem Auftritts- und später Einreiseverbot in ihre Heimat belegt. 1973 kam Motaung durch musikalische Auftritte nach London. Über Zwischenstationen in Paris – wo sie ihren Mann kennenlernte – und Hannover kam sie 1977 schließlich in Hamburg an. Mit ihren vier Kindern und ihrem Mann lebte sie in Barmbek. Hier arbeitete Motaung zunächst in einem Kaufhaus, machte nebenbei aber immer Musik, wie ihr Sohn erzählt: mit Bands oder als Backgroundsängerin für andere Künstler wie Udo Lindenberg. „Das war ein Spagat“, sagt Mikaylou Motaung.

Im Abendblatt-Podcast
Im Abendblatt-Podcast "Geliebt & Unvergessen" erinnern prominente Hamburger an verstorbene Größen der Stadt. © HA

1989 brachte Audrey Motaung ihr erstes Album heraus

In der Hansestadt stand sie von der Erstauflage im Jahr 1986 an regelmäßig beim „Festival der Frauen“ auf der Bühne. Isabella Vértes-Schütter erinnert sich daran, Audrey Motaung während dieser Veranstaltungsreihe kennengelernt zu haben: „Sie war wirklich eine Ausnahmekünstlerin, die tatsächlich alle Menschen, die sie erlebt haben, mit ihrem Gesang in der Seele berührt hat.“ In den folgenden Jahren trat Motaung auch im Ernst-Deutsch-Theater auf. Vértes-Schütter sagt im Podcast: „Sie hat immer für alle gesorgt. Eine großartige Künstlerin, ein wunderbarer Mensch.“

1989 wagte Motaung den Schritt zurück in eine Vollzeit-Musikkarriere – und brachte ihr erstes Album „African Sun“ heraus. In Hamburg, aber auch in San Francisco, Helsinki oder Kiew war die Sängerin in den 1990er-Jahren mit ihrer musikalischen Mischung aus Jazz, Rock, Pop und Gospel auf Festivals zu Gast. Und abwechselnd konnten dann auch die Kinder mitreisen, erzählt ihr Sohn.

Er war immer dabei: Von den Vorbereitungen zu Aufnahmen ihres ersten Albums („auf einem Bauernhof“) bis hin zu einer Filmpremiere 2001. „Mama war einfach alles“, sagt er – auch seine Managerin. Man habe zusammen geprobt und sei zusammen nach Hause gegangen. „Sie hat definitiv immer das Beste erwartet, aber auch das Beste aus einem herausholen können. Mehr als man selbst jemals in sich gesehen hat“, sagt Mikaylou Motaung, der als Musiker und Personalberater arbeitet. Sogar wenn er zu Hause entspannt unter der Dusche sang, habe sie herübergerufen, wenn mal ein Ton nicht ganz stimmte.

Motaung gründete den Verein „African Heritage“

„Mama“, das war Audrey Motaung dabei nicht nur für Mikaylou Motaung und seine Geschwister. Auch Jugendliche, die ihrem in Hamburg gegründeten Verein African Heritage angehörten, nannten sie ab und an mal so. Der Verein beschäftigte sich mit Musik, Tanz und Schauspiel – später entstand daraus das Musical „Displaced Blacks“ (1995). Im Fokus stand aber der soziale Aspekt, sagt Mikaylou Motaung: „Viele Jugendliche afrikanischer Herkunft wussten nicht, wohin mit sich selbst.“ Es habe vorher keine Vorbilder gegeben, keine Einrichtungen, um sich über die eigene Kultur und Geschichte ihrer Herkunftsländer auszutauschen. Bei African Heritage konnte man eine eigene Identität finden, erzählt Mikaylou Motaung. Mit seiner Mutter als starkem Vorbild: Sie wollte keine Klischeerollen verkörpern, sagt er, sondern eine starke, selbstbewusste Schwarze Frau präsentieren.

Im November 2003 kam der große Einschnitt: Audrey Motaung erlitt einen Schlaganfall – auf der Bühne, mitten in einer laufenden Tour. Mikaylou Motaung und seine Schwester sprangen bei den verbleibenden Auftritten für sie ein. „Danach mussten wir uns alle erst mal sammeln“, sagt Mikaylou Motaung, „das war eine schwierige Zeit.“ Es wurde ruhiger um die künstlerischen Karrieren der Familie. Als Kämpfernatur arbeitete sich seine Mutter auch nach weiteren Schlaganfällen durch Reha-Programme, wie er im Podcast berichtet.

Im November 2019 starb Audrey Motaung schließlich in Hamburg. „Für meine Mama war es das Beste, dort zu sein, wo sie jetzt ist. Sie ist physisch nicht da, aber ich trage sie tagtäglich im Herzen“, sagt ihr Sohn. Auch bei der Arbeit an seiner eigenen Musik, die er langsam wieder aufnimmt.

Was Yared Dibaba über die Zeit bei African Heritage erzählt und wann Audrey Motaung für Nelson Mandela sang – das und mehr hören Sie unter abendblatt.de/unvergessen.