In der Podcast-Reihe Entscheider treffen Haider spricht Notar Jens Jeep über seine Arbeit und die Merkmale guter Verträge.

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Es begann mit einem Brief: „Als Notar erlebe ich es täglich, dass die Menschen mit völlig unrealistischen Vorstellungen über die anfallenden Kosten auf mich zu treten“, schrieb Jens Jeep an die Redaktion des Hamburger Abendblatts. „Wir verdienen als Notare bestimmt nicht schlecht, aber eben doch offensichtlich viel weniger, als die Bürger denken.“

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Tun die Klienten den Notaren unrecht? Darf oder muss bei Beurkundungen gelacht werden? Und ist das zum Teil stundenlange Vorlesen von Verträgen nicht völlig unzeitgemäß und überflüssig? Darum geht es in dieser Folge unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“, die Sie hier auch hören können.

Das sagt Jens Jeep über

… die Frage, wie man Notar wird:

„Früher wurde man in Hamburg Notar in der Regel nur dann, wenn man Sohn eines Notars war. Dann würde ich heute nicht hier amtieren. Aber längst werden die Stellen zum Notarassessor, das ist die mindestens drei Jahre dauernde Vorbereitungszeit auf den Beruf, deutschlandweit ausgeschrieben. Darauf kann sich jeder Volljurist bewerben, wobei es stark auf die Noten ankommt. Man sollte mindestens zweimal „gut“ in den Jura-Examen haben. Selbst mit einem für Juristen eigentlich hervorragenden „vollbefriedigend“ hat man kaum noch eine Chance, in Hamburg Notarassessor zu werden. Eine richtige Notarstelle erhält man jedoch meist erst dann, wenn eine Kollegin oder ein Kollege das eigene Amt niederlegt, was sie oder er spätestens mit 70 Jahren tun muss.“

… die Wahrnehmung von Notaren:

„Was wir machen, leidet unter dem gleichen Phänomen, wie es eine gelungene Coronavorsorge täte – nämlich unter dem Präventionsparadox. Wenn es Notare nicht gäbe, gäbe es ganz erhebliche und oft teure Streitigkeiten, etwa zwischen dem Käufer und dem Verkäufer einer Immobilie. Aber gerade weil es diese Probleme eben nicht gibt, können Menschen den Eindruck gewinnen, dass Notare verzichtbar sind. Viele Mandanten wissen zudem nicht, was wir bereits im Vorfeld einer Vertragsunterzeichnung leisten und wie wir und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür sorgen, dass auch nach der Beurkundung alles wie gewünscht abläuft. Das zu erklären, ist natürlich auch unsere Aufgabe als Notare.“

… die Rolle des Notars:

„Ich bin als Notar immer für beide Vertragspartner da. Das unterscheidet mich von einem Rechtsanwalt, der grundsätzlich nur für eine Seite handelt. Ich denke etwa bei einem vom Verkäufer in Auftrag gegebenen Entwurf eines Wohnungskaufvertrages auch immer gleich die Interessen des Käufers mit – und umgekehrt.“

… das vorgeschriebene Vorlesen von Verträgen, ganz gleich, wie lang die sind:

„Je länger ich den Beruf ausübe, dessen stärker bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass das Verlesen eine absolut essenzielle Angelegenheit ist. Es zwingt jeden der Beteiligten, sich wenigstens einmal konzentriert mit dem Text zu beschäftigen. Ich merke bei vielen, dass sie das Dokument vorher nicht oder nicht genau gelesen haben. Und es geht ja nicht darum, den Vertrag herunterzurattern, sondern zu erklären, worum es geht. Eine Beurkundung bei mir ist nur zur Hälfte Vorlesen, die andere Hälfte ist Erklärung.

Übrigens hatte ich mal eine sehr erfolgreiche Autorin als Käuferin, die behauptet hat, dass sie schneller vorlesen könne als ich – die durfte dann den Vertrag, um den es ging, selbst vortragen, was auch zulässig ist. Das war das einzige Mal, dass ich das so gemacht habe, weil ich festgestellt habe, dass es für mich ganz schrecklich ist, wenn ich mir meine eigenen Verträge passiv anhören muss …“

… kurze Verträge, die gute Verträge sind:

„Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Vertrag mit deutlich mehr als zehn Seiten für einen normalen Bürger kaum zu verstehen ist. Deshalb versuche ich, meine Verträge so knapp wie möglich zu halten. Jeden Satz, den man ohne inhaltlichen Verlust weggelassen kann, lasse ich weg. Den Kern etwa eines Grundstückskaufvertrages kann man auf fünf bis sieben Seiten ordentlich unterbringen.“

… einen Ehevertrag:

„Ich finde es besser, wenn Ehepartner einen Vertrag haben. Er schützt davor, dass man ausgerechnet in dem Moment, an dem die Ehe scheitert, auch noch anfängt, sich über Geld zu streiten. Deshalb bin ich ein Fan von Eheverträgen, auch wenn das nicht so wahnsinnig romantisch klingt.“

… die Grunderwerbsteuer:

„Die Grunderwerbsteuer ist das Äquivalent zur Mehrwertsteuer beim Immobilienkauf und sie ist schon deshalb für viele ein Ärgernis, weil sie von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist. In Bayern beträgt sie 3,5 Prozent, in Hamburg 4,5 Prozent, und Schleswig-Holstein liegt mit 6,5 Prozent an der Spitze. Das bedeutet: Ganz hoch im Norden zahlen Sie für ein Grundstück, das 200.000 Euro kostet, 6000 Euro mehr Grunderwerbsteuer als ganz tief im Süden.

Das ist genauso schwer zu verstehen wie die Tatsache, dass eine Tochter, die ihrem Vater ein Grundstück oder ein Haus abkauft, dafür anders als jeder andere keine Grunderwerbsteuer zahlen muss. Unser Steuerrecht hat leider in Teilen zur Folge, die zu bevorzugen, die bereits viel Geld haben. Das empfinde ich als unfair und deshalb hielte ich es für richtig, wenn man etwa beim Erwerb einer einzigen eigenen Immobilie keine oder zumindest weniger Grunderwerbsteuer zahlen müsste, weil jeder Bürger und auch jedes Kind einen Freibetrag hätte.“

… Notare und Humor:

„Ich bin der Überzeugung: Eine Beurkundung bei mir, bei der nicht gelacht wurde, ist eine persönliche Niederlage. Letztlich ist das, was ich als Notar mache, auch eine Form von Performance:. Auch ich als Notar muss auf mein „Publikum“ eingehen und es in irgendeiner Form packen. Es darf nicht langweilig werden, sonst hört niemand mehr zu. Und das ist nicht Sinn der Veranstaltung.“