Der Chef der „Zeit“-Stiftung spricht im Podcast „Entscheider treffen Haider“ über eine neue, große Idee für Hamburg.

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Er hat die Bucerius Law School und das Bucerius Kunst Forum (mit)gegründet und die „Zeit“-Stiftung zu einer der größten Stiftungen in Deutschland gemacht. Ende 2021 scheidet Michael Göring als dessen Vorstandsvorsitzender aus.

Mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht er im Podcast über die Frage, wie man eine Milliarde Euro anlegt, über seine zweite Karriere als Schriftsteller – und über eine neue, große Idee für die Stadt.

Das sagt Michael Göring über …

… die „Zeit“-Stiftung, die nichts mit der Wochenzeitung zu tun hat:

„Gerd Bucerius, der Gründer der „Zeit“ und der „Zeit“-Stiftung, hat kurz vor seinem Tod verfügt, dass der Verlag mit der Zeitung an ein größeres deutsches Medienhaus verkauft werden soll, weil er glaubte, dass der Verlag allein nicht bestehen könne. 1996 ist deshalb „Die Zeit“ an Holtzbrinck gegangen. Seitdem hat die „Zeit“-Stiftung wirtschaftlich mit der „Zeit“ nichts mehr zu tun, ist ihr aber über die Personen weiterhin eng verbunden.“

… die Ziele der „Zeit“-Stiftung:

„Bucerius hat die Stiftung 1971 gegründet, da war er 65 Jahre alt und wusste, dass er wohl keine Kinder mehr haben würde. Und er hat 1971 festgelegt, dass die Stiftung drei große Dinge machen soll: nämlich Wissenschaft, Kunst und Kultur und das allgemeine Bildungswesen fördern. Bucerius hat damals unter anderem das Literaturhaus an der Alster gekauft und die Orgel in St. Jacobi renovieren lassen.“

… die finanzielle Ausstattung der Stiftung:

„Als Bucerius 1995 starb, hinterließ er der Stiftung ein großes Vermögen. Der wichtigste Teil waren die 10,74 Prozent, die ihm am Bertelsmann-Konzern gehörten und den dessen Gründer Reinhard Mohn über mehrere Jahre für 1,2 Milliarden D-Mark zurückgekauft hat. So hatten wir 2002 ein Grundstockkapital von rund 650 Millionen Euro. Dieses Kapital haben wir bis Ende vergangenen Jahres auf eine gute Milliarde Euro aufstocken können, weil wir eine ganz erfolgreiche Vermögenspolitik betrieben haben. Wir sind mit 48 Prozent an der Börse investiert und hoffen, in diesem Jahr darüber etwa 20 Millionen Euro an Kapitalerträgen zu erzielen, die wir dann ausgeben können. Wir arbeiten mit insgesamt neun Banken zusammen und setzen in unserer Finanzstrategie vor allem auf dividendenstarke Aktien, sogenannte Blue Chips. Im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, eine zweistellige Rendite aufs Kapital zu erzielen.“

… die Bucerius Law School:

„Helmut Schmidt hat die Grundidee der Bucerius Law School auf den Punkt gebracht. Er sagte, dass er „keine Hochschule für Schnösel“ wolle. Soll heißen: Wir schaffen ein System, in dem jeder, der entsprechend talentiert ist, die Chance hat, Jura zu studieren – unabhängig davon, ob er oder sie das Geld dafür hat. Daran haben wir uns bis heute gehalten. Wer sich die Studiengebühren nicht leisten kann, aber geeignet ist, erhält ein Studiendarlehen, das er erst zurückzahlen muss, wenn er einen Job hat. Und wer an der Bucerius Law School war, bekommt in der Regel eine sehr gute Stelle und kann das Geld innerhalb kürzester Zeit bezahlen. Ich sage unseren Studierenden aber immer, dass sie mit einem Jurastudium nicht zwingend in eine Kanzlei gehen oder Richter werden müssen. Damit kann man zum Beispiel auch Politiker werden, so wie Kon­stantin Kuhle, der erste unserer Absolventen, der es in den Bundestag geschafft hat.“

… das Bucerius Kunst Forum:

„Das deutsche Stiftungswesen leidet darunter, dass Stiftungen zwar viele wundervolle Dinge fördern,, die Bevölkerung aber mit dem Begriff „Stiftung“ meist nichts anzufangen weiß. Wir als „Zeit“-Stiftung wollten präsenter werden und Einrichtungen schaffen, die sofort mit uns als Stiftung verbunden werden. So haben wir nach der Bucerius Law School das Bucerius Kunst Forum gegründet, das eine Lücke in Hamburg schloss: Denn bis zur Eröffnung gab es keinen Kunstort, der direkt in der Innenstadt lag. Jetzt haben wir ihn, direkt neben dem Rathaus – und zu unserer letzten Ausstellung sind trotz Corona 93.000 Besucher gekommen. Das ist nicht schlecht in diesen Tagen.“

… seinen Abschied Ende des laufenden Jahres:

„Ich habe diese Tätigkeit dann 25 Jahre innegehabt und werde 65 sein. Das ist ein guter Moment, um aufzuhören. Es gibt so viele Frauen und Männer, die das sehr gut machen können, und es wird dann Zeit, dass der Vorsitz der „Zeit“-Stiftung in jüngere Hände geht.“

… seine Arbeit als Schriftsteller:

„Ich habe sehr früh angefangen zu schreiben, während meines Studiums in den USA. Und es lief gut: Ich schrieb einen Roman, der ging an eine Agentin in New York, es sah danach aus, als könnte ein Drehbuch daraus werden … Doch dann ging mein Studium in den USA zu Ende, ich kehrte nach Deutschland zurück, wurde jung Familienvater und begann mit der Dissertation. Deswegen musste ich das Schreiben zurückstellen. Erst mit 50 habe ich damit wieder angefangen, jetzt ist gerade der fünfte Roman fertig geworden, der im März erscheinen wird. In den vergangenen Jahren habe ich eigentlich meine ganzen Urlaubstage dafür genutzt, um auf Lesereisen zu gehen, weil mir das großen Spaß macht. Und das will ich nach meiner Zeit bei der „Zeit“-Stiftung intensivieren. Das letzte Buch, „Hotel Dellbrück“, hat sich zum Glück ganz gut verkauft, fast 5000 Exemplare. Darauf kann man aufbauen, das wird mich weiterhin beschäftigen.“

… die Zukunft Hamburgs:

„Hamburg hatte vor 15 Jahren ein Superthema: „Hamburg, die wachsende Stadt“. Jetzt brauchen wir etwas Neues. Meine Idee ist: Hamburg, die Modellstadt. Wir zeigen, wie es mit der für unsere Zukunft so wichtigen ökologischen Transformation gehen könnte. Man braucht in Deutschland eine Region oder Stadt, die modellhaft vorangeht. Ein Beispiel: Hamburg könnte die Stadt der Nachtzüge werden, von der man jeden Abend bequem in eine andere Metropole fahren könnte, nach Paris, Warschau, Rom. Könnte man sich nicht auch überlegen, dass Hamburg die erste Stadt wird, die ab 2025 nur noch Autos mit E-Kennzeichen zulässt? Oder von der aus es keine Inlandsflüge mehr gibt? Ich würde mir sehr wünschen, dass wir als Modellstadt bei Airbus das Flugzeug mit den geringsten Emissionen bauen. Über all diese Dinge müssen wir uns verständigen, es geht um die Zukunft unserer Kinder.“