Hamburg. Der Abendblatt-Podcast „Entscheider treffen Haider“ – heute mit Gunnar Froh, dem Chef von Wunder Mobility.

Kann man von Hamburg aus ein weltweit erfolgreiches Technologie-Unternehmen aufbauen? Gunnar Froh ist mit Wunder Mobility auf dem Weg dahin. Die Firma entwickelt Softwares, mit denen unter anderem der Verkehr in Städten revolutioniert werden soll. Wie das gehen kann, erklärt der Gründer und Vorstandsvorsitzende im Podcast mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider. Es geht um den Kampf um Programmierer, Hamburgs Vorteile gegenüber San Francisco – und um Homeoffice, von dem Froh gar nichts hält.

Das sagt Gunnar Froh über …

… die Anfänge seiner Firma:

„Die Firma hieß ursprünglich „Wunder Car“. Wir waren 2014 die Ersten, die in Hamburg und Berlin private Mitfahrmöglichkeiten angeboten haben, haben aber schnell gemerkt, dass das ein schwieriges Geschäft ist. Niemand weiß, ob man damit jemals wird Geld verdienen können. Das liegt daran, dass der öffentliche­ Personennahverkehr in Deutschland zum einen sehr hochwertig und zum anderen relativ günstig ist. Als privater Anbieter konkurriert man mit Unternehmen, die stark von Städten und Gemeinden subventioniert werden. Der ÖPNV ist kein freier Markt.“

… Hamburg als Standort, der in Teilen attraktiver ist als San Francisco:

„Wir holen Mitarbeiter aus allen Teilen der Welt nach Hamburg. Das geht gut, weil die Stadt als Lebensmittelpunkt sehr attraktiv ist. Inzwischen ist Hamburg attraktiver als San Francisco, was Dinge wie Lebensqualität und die Infrastruktur für Familien angeht. Ich war im vergangenen Jahr zwei Monate mit der gesamten Familie drüben. Der einzige Vorteil, den San Francisco gegenüber Hamburg noch hat, ist, dass es dort wahnsinnig viele Tech-Unternehmen gibt, mit denen man sich austauschen kann. Aber wenn es um Alltagsfragen geht, insbesondere, was das Leben mit einer Familie betrifft, liegt Hamburg etwa mit den kostenlosen Kita-Plätzen und der Ganztagsbetreuung in Schulen deutlich vorn.“

… der Kampf um die Programmierer:

„Hamburg muss aufpassen, dass es im Kampf um die Programmierer den Anschluss an Städte wie Berlin oder Amsterdam nicht endgültig verliert. Man müsste damit beginnen, eine Zielvorstellung zu formulieren. Zurzeit gibt es etwa 5000 Programmierer in Hamburg, die moderne Programmiersprachen sprechen. Nun könnte man sich vornehmen, diese Zahl auf 20.000 oder am besten gleich 50.000 in einem bestimmten Zeitraum zu erhöhen und müsste dann gucken, was die nach Hamburg ziehen könnte. Das könnte eine international wichtige Technologie-Konferenz sein: Wenn Programmierer einmal ein paar Tage hier gewesen sind, wissen sie, wie schön die Stadt ist, und können sich viel leichter vorstellen, hierherzukommen. Außerdem müsste der Senat versuchen, Leuchtturm-Unternehmen in die Stadt zu holen. Andere Städte sind da viel offensiver, zum Beispiel Dublin oder eben Amsterdam.“

… die Mobilitätswende:

„In Hamburg passiert wahnsinnig viel, was den Verkehr der Zukunft angeht, aber es geht nicht alles in die richtige Richtung. Wir haben jetzt einen neuen Verkehrssenator, der die Stadt zu einem Leuchtturm in der Mobilitätswende machen will, das finde ich gut. Wir haben als Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Stadt eine Software entwickelt, mit der man genau sehen kann, wie sich Sharing-Dienste wie Car2go, E-Roller, etc. genau bewegen. Die Stadt fand das auch toll, will das jetzt aber alles selbst machen. Das finde ich schade, zumal die Kosten dafür viel höher sein werden.“

… die Rolle der Städte für den Verkehr der Zukunft:

„Aus meiner Sicht wäre es nicht überraschend, wenn in Zukunft einige Städte in Europa ihre eigenen Shuttle-Dienste à la Moia oder eigene E-Roller-Verleihe starten. Die geteilten Mobilitätsangebote sollten wie der ÖPNV behandelt werden und von den Städten selbst betrieben werden. Die könnten dann nämlich den Mix in der Mobilität selbst steuern, Klimaziele besser erreichen, den Umstieg vom Auto aufs Fahrrad forcieren, usw.“

… E-Roller:

„Die Zahlen für den Verleih von E-Rollern sehen gut aus, nur die Aufmerksamkeit der Medien dafür ist deutlich zurückgegangen. Außerdem hat sich inzwischen herausgestellt, dass das Fahren eines E-Rollers nicht gefährlicher ist, als mit Rad in Hamburg unterwegs zu sein. Das Geschäft läuft wirklich gut.“

… Moia:

„Das ist ein wahnsinnig spannendes Experiment, etwas Vergleichbares gibt es auf der ganzen Welt nicht. Die Frage ist, wie der Übergang von diesem Projekt zu einem profitablen Geschäft gelingt. Dafür reicht es ja nicht, dass Moia nur in Hamburg und Hannover unterwegs ist.“

… Homeoffice in Corona-Zeiten:

„Ich empfinde das getrennte digitale Arbeiten als etwas Unnatürliches. Optimal wäre es, wenn man ein Büro hätte, in dem man sowohl konzentriert allein als auch in Teams arbeiten kann und in das man ganz schnell und bequem kommt. Komplett digital zu arbeiten entspricht nicht der Natur des Menschen.“

… Homeoffice bei Wunder Mobility:

„Wir haben ein paar Wochen im Home­office gearbeitet, sind aber sobald es ging alle wieder zurückgekommen. Ich selbst war die ganze Zeit jeden Tag im Büro. Und ich habe erlebt, dass diejenigen, die auf einem Bildschirm an einer Besprechung teilnehmen, ganz klar im Nachteil gegenüber denjenigen sind, die tatsächlich im Raum sind. Ich versuche, die Produktivität, die wir in der Firma brauchen, von den Annehmlichkeiten des Homeoffice zu trennen. Produktivität ist für uns sehr wichtig. Was die Annehmlichkeiten angeht, sage ich ehrlich: Wir gehen durch die größte Wirtschaftskrise seit 100 Jahren, das ist nicht die Zeit, in der man als Mitarbeiter sagt, dass man gern dies oder das noch zusätzlich haben möchte. Dies ist die Zeit, in der wir alle alles dafür tun müssen, dass Unternehmen überleben. Deshalb möchte ich im Augenblick nur über Produktivität sprechen und im nächsten Jahr dann vielleicht wieder über zusätzliche Annehmlichkeiten. Wir wollen eine große international erfolgreiche Tech-Firma sein und in der Top-liga mitspielen, dafür kommt es auf die letzten zwei Prozent an. Wenn jemand Fußballer beim FC Bayern ist, kann er ja auch nicht sagen, dass er von zu Hause mittrainiert … Das passt nicht in den Kontext.“