Hamburg. Hamburgs Erster Bürgermeister im Abendblatt-Podcast. Leser fragen per Telefon und Mail zur Corona-Krise und ihren Folgen.

Die Corona-Krise diktiert seinen Alltag, Telefonkonferenzen, Verhandlungen auf Länder- und auf Bundesebene. Und dennoch hat sich Bürgermeister Peter Tschentscher die Zeit genommen, die Fragen der Abendblatt-Leserinnen und -Leser zu beantworten. Das Interesse an der Aktion war enorm. Um die 150 Leserinnen und Leser haben sich mit Fragen zur Pandemie gemeldet. Es ging um die Folgen für die Wirtschaft, um die Frage, warum die Abiturprüfungen stattfinden sollen, wann die Kontaktsperre wohl wieder aufgehoben wird – aber auch um ganz individuelle Probleme. Das Interesse war so groß, dass wir bei weitem nicht alle Fragen stellen und beantworten lassen konnten. Dafür waren es einfach viel zu viele. Wir haben Fragen, die ein ähnliches Thema behandeln, zusammengefasst und zugleich die Original-Fragen gekürzt, um möglichst viele Fragen und Antworten veröffentlichen zu können.

Hamburger Abendblatt: Warum stellen Sie die Erfolgserlebnisse nicht stärker raus und berichten nicht häufiger über geheilte Patienten?, fragt beispielsweise Jürgen Biemann.

Peter Tschentscher: Diese Zahlen werden jetzt erhoben. Wir hatten noch nicht so viele Erkrankungsfälle, die wieder gesundet sind. Aber in den vergangenen Tagen haben wir die ersten Erkrankten wieder entlassen. Dann kontrollieren die Gesundheitsämter noch einmal nach. Wer zwei Tage keine Symptome mehr aufweist, gilt als geheilt. Davon gibt es jetzt mehr und mehr Fälle. Die Zahlen veröffentlichen wir dann auch, so dass man sieht, dass es nicht nur nur immer mehr Kranke gibt, sondern auch Personen, die wieder gesund werden. Es gibt viele Neuerkrankte, die meisten davon übrigens nicht so schwer, dass sie ins Krankenhaus müssen.

Das UKE hat jüngst mitgeteilt, dass 19 Patienten als geheilt entlassen wurden…

Tschentscher: So ist es. Auch die schwer erkrankten Patienten kann man ja behandeln. Man hat nur keine speziellen Medikamente, die gegen das Virus direkt wirken. Man muss die Patienten beatmen und ihre Symptome in Schach halten. Es gibt auch bei schweren Fällen die Heilungsmöglichkeit. Wir hatten aber leider auch schon Todesfälle in Hamburg.

Ich möchte den Bürgermeister bitten, die aktuellen Beschränkungen zu Ostern noch nicht aufzuheben. Das würde Menschen unnötig in Gefahr bringen, schreibt Kerstin Dröge-Macdonald.

Tschentscher: Wir müssen zunächst damit rechnen, dass wir diese Regelungen noch länger aufrechterhalten. Ich gebe der Leserin Recht, wir dürfen auf gar keinen Fall die Wirkung all dessen, was wir jetzt machen, aufs Spiel setzen, indem wir zu früh die Maßnahmen wieder lockern. Denn dann könnte es passieren, dass die Epidemie erneut wieder Dynamik gewinnt und dass dann genau das eintritt, was wir verhindern wollten: dass es zu viele schwer Erkrankte gleichzeitig gibt.

Ein Brief, der die Redaktion sehr bewegt hat, ist dieser: Wir sind ein älteres Ehepaar. Nachdem wir so viele Bilder von überlasteten Krankenhäusern gesehen haben, möchten wir lieber zu Hause sterben und das System entlasten. Wenn wir merken, dass wir schwer erkrankt sind, was noch nicht der Fall ist, sollen wir dann den Arztruf trotzdem anrufen, um die Krankheit für die Statistik zu melden, auch wenn wir keine lebensrettenden Maßnahmen möchten. Können wir Sterbebegleitung erwarten? , fragt Ehepaar O.

Tschentscher: Das sind sehr traurige Gedanken, die mir sehr leidtun. Wir wollen ja gerade, dass alle behandelt werden können. Die Bilder, die Frau O. vor Augen hat, kommen aus anderen Ländern, in denen man sich vielleicht nicht frühzeitig darauf eingestellt hat oder einstellen konnte, dass es so viele Fälle gibt. Die Behandlung, die man braucht als schwer Erkrankter, ist keine ganz schlimme Sache. Man wird beatmet, man wird mit Medikamenten so versorgt, dass man die Maßnahmen nicht als quälende Behandlung empfindet. Die meisten können dann ja auch geheilt werden. Insofern sollte man versuchen, sich nicht mit so ganz düsteren Gedanken zu beschäftigen, sondern wissen, dass die Kliniken und die Politik alles dafür tun, dass wir alle Schwerkranken behandeln können, auch die älteren Mitmenschen.

Wäre es nicht konsequent, die Schließung aller Zahnarztpraxen anzuordnen und eine Notfallversorgung einzurichten?, fragt eine Medizinerin.

Tschentscher: Ich denke, man sollte auch in der Zahnheilkunde das tun, was wir insgesamt empfehlen: Was nötig ist, muss weiter behandelt werden. Man muss eben sehen, dass die Behandlung möglichst unter Infektionsschutzbedingungen vonstatten geht. Eine Behandlung zu verschieben, die heute aufschiebbar erscheint, aber in kurzer Zeit zu einem Notfall wird – damit ist uns nicht geholfen. Alle sollten versuchen, die Fälle, die medizinisch vertretbar sind, zu verschieben, aber alles andere eben weiter zu behandeln. Diese medizinische Entscheidung, treffen Ärztinnen und Ärzte sehr verantwortungsvoll.

Thema: Tests auf Corona

Warum gibt es nicht in jedem Stadtteil mindestens ein „Corona-Drive-In“-Testzentrum?, fragt Dr. Ronald Kähler.

Tschentscher: Weil es gar nicht genug Testkapazitäten gibt. Den Test müssen und wollen wir für die Fälle einsetzen, in denen es medizinisch erforderlich ist. Wir haben aber ganz viele Menschen, die besorgt sind. Diese Sorge ist berechtigt, aber es ist nicht sinnvoll, symptomlose Patienten zu testen, denn dieser Test kann, wenn man keine Symptome hat und der Infektionszeitpunkt noch nicht lange zurückliegt, auch negativ ausfallen, obwohl eine Infektion schon stattgefunden hat. Wir testen im Bundesvergleich sehr viel – aber wir müssen die Tests gezielt einsetzen. Man ruft die Hotline 116117. Die Kassenärztliche Vereinigung schickt jemanden, der den Abstrich macht. Das klappt nach anfänglicher Überlastung der Hotline jetzt auch. Eine Alternative wäre eine Drive-In-Lösung, aber die brauchen wir derzeit in Hamburg nicht, weil wir hinterher kommen mit den medizinisch begründeten Tests.

Sollte nicht zumindest jeder Mensch mit einem grippeähnlichen Infekt getestet werden?, schreibt Inka Poller.

Tschentscher: Wir haben nicht genug Testkapazitäten, um jeden Individualfall zu testen. Der Test funktioniert nicht so einfach wie ein Schnelltest beispielsweise für den Blutzuckerspiegel. Der Test muss im Labor ausgewertet werden. Und die Laborkapazitäten, nämlich einige Tausend Tests pro Tag, müssen wir für die Fälle nutzen, in denen es ganz dringlich ist zu wissen, ob der Erkrankte ein Coronapatient ist oder nicht.

Warum können nicht alle Bürger mit klassischen Symptomen, Reiserückkehrer und Kontaktpersonen zu Kranken per-se und ohne Test strikt für 14 Tage in Quarantäne bleiben?, schreibt Dr. Anke Rauhut.

Tschentscher: Das sagen wir ja. Wer zurückkommt aus Risikogebieten, soll zu Hause bleiben. Wir wollen, dass diese Personen sich sehr genau beobachten und sich melden, sobald Symptome auftreten. Und wenn das passiert, dann sollte man einen Test machen, um zu unterscheiden, ob es ein normaler grippaler Effekt ist oder wirklich Corona. Wenn das der Fall ist, muss diese Quarantäne auch ganz strikt eingehalten werden. Insofern haben wir ein ganz vernünftiges System.

Warum wird nicht aus Sicherheitsgründen von jedem Passagier, der am Flughafen ankommt, eine Aussteigekarte verlangt – und warum wird nicht jeder Fluggast automatisch zu 14 Tagen Quarantäne verpflichtet?, wollen Gabriele Ebert und etliche weitere Leser wissen.

Tschentscher: Das sind Bestimmungen, die die Bundesregierung vornimmt. Für viele Länder gelten diese Vorschriften bereits. Aber es ist ja auch so, dass der ganze Personenverkehr ohnehin nahezu eingestellt ist. Unser Hauptproblem ist nicht mehr, dass Menschen Infektionen von woanders mitbringen. Sondern wir sind in einer Situation, in der wir innerhalb Deutschlands, also sozusagen in uns selber, in unseren Städten, Infektionsketten haben. Die müssen wir unterbrechen. Einreisen von außen sind inzwischen nur noch ein ganz kleiner Problemanteil.

Thema: Die Situation in den Kliniken

Gibt es genug Schutzkleidung und Schutzmasken?, fragt Gerrit Balonier.

Tschentscher: Das ist genau der kritische Punkt. Wir bekommen immer wieder Nachschub. Wir haben mittlerweile Desinfektionsmittel, die die Firma Beiersdorf in großem Umfang herstellt. Das hat uns entlastet. Jetzt haben wir noch ein Problem mit Schutzkitteln und vor allem mit Schutzmasken. Wir versuchen immer noch, Lieferungen aus dem Ausland zu organisieren. Wir haben einen kleinen Vorrat, aber wir wollen möglichst Sicherheit haben, so dass alle Bereich in den nächsten Wochen gut ausgestattet sind. Das ist noch nicht ganz gelöst.

Muss man sich Sorgen machen, dass sich zu viele Pflegerinnen und Pfleger anstecken?, wollen Gerrit Balonier und weitere Leser wissen

Tschentscher: Natürlich ist das eine Sorge. Deswegen ist es ja wichtig, dass diejenigen, die mit Coronapatienten zu tun haben, wissen, dass der Patient daran erkrankt ist und dass Schutzkleidung fürs Personal vorhanden ist. Das Handling ist im Krankenhaus unglaublich schwierig, weil sie zu Patienten nicht zwei Meter Abstand halten können. Deshalb gehört es zu einer der schwierigsten, aber auch wichtigsten Aufgaben, das man in der Behandlung versucht, Neuinfektionen zu vermeiden – zwischen Patienten, aber natürlich auch Neuinfektionen des Personals. Das gelingt meistens. Leider haben wir aber auch immer wieder Fälle, in denen Beschäftigte infiziert werden. Diese Zahl müssen wir möglichst klein halten.

Gibt es eine Möglichkeit, Pflegerinnen und Pflegern sofort höhere Löhne zu zahlen?, heißt in mehreren Zuschriften.

Tschentscher: Ja sicher. Das wäre Angelegenheit der Arbeitgeber. Natürlich kann auch die Politik überlegen, ob es Erleichterungen geben kann. Aber es geht nicht nur um die Beschäftigten in Krankenhäusern. Die haben eine große Last zu tragen. Aber es gibt viele weitere Berufsgruppen, die unter Volllast sind. Wenn wir an Lkw-Fahrer denken, die weiter unterwegs sein müssen aber weniger Möglichkeiten haben, an Raststätten Pausen einzulegen. Wir haben die Lebensmittelhändler mit den Kassiererinnen und Kassierern und diejenigen, die die Regale auffüllen von morgens bis abends. Sie alle tragen dazu bei, dass das Leben weitergeht und auch die Wertschöpfung.

Coronavirus – Die Fotos zur Krise:

Thema: Verhaltensregeln

Ein Arzt sagt, ,Tragen Sie Mundschutz und Handschuhe’, der nächste sagt, ,Tragen Sie keine Handschuhe, und ein Mundschutz bringt auch nichts. Waschen Sie sich stattdessen regelmäßig die Hände.’ Was denn nun?, fragt Rolf Brandt.

Tschentscher: Es gibt wirklich zwei ganz wichtige Punkte: Händewaschen und Abstand halten. Das sind Regeln, die jeder ohne weitere Hilfsmittel einhalten kann. Die bringen am meisten. Man muss wissen: Das Virus „fährt“ nicht zehn Meter durch die Luft und ist plötzlich in meinem Nasen-/Rachenraum. Sondern die Übertragung läuft meistens über unmittelbaren Kontakt mit einem Infizierten. Sich anzuniesen, sich die Hand zu geben – das sind die klassischen Übertragungswege. Vermeiden Sie also möglichst, in Richtung anderer Personen zu niesen. Und wenn es nicht geht, nehmen Sie nicht die Hand, sondern die Ellenbeuge vors Gesicht. Wenn man jetzt ins Krankenhaus schaut: Da sind Atemschutz- und Gesichtsmasken viel wichtiger, weil man einen direkten Umgang mit Coronapatienten gar nicht vermeiden kann.

Unsere Tochter erwartet im Mai ihr erstes Kind. Wir sind beide Jahrgang 1950. Dürfen wir das Enkelkind mit Einschränkungen sehen?, fragt Ehepaar Scharlaug.

Tschentscher: Das sind sehr schwierige Fragen. Es ist ein sehr, sehr menschliches Bedürfnis, das Enkelkind zu sehen. Ich würde die Frage zurückstellen bis Mai. Generell gilt momentan: Man sollte auf Treffen von Kindern mit Großeltern verzichten. Das ist gerade über die Ostertage sehr belastend. Jeder Kontakt, der nicht ohnehin in der häuslichen Gemeinschaft erfolgt, stellt ein zusätzliches Risiko dar. Das gilt auch für Kleinkinder, zu denen man ja auch körperliche Nähe sucht, die man gerne auf den Arm nehmen möchte. Also: Vermeiden Sie das aktuell.

Thema: Abstand halten

Besteht die Möglichkeit, einen besonders schmalen Spazierweg – zum Bei spiel an der Elbe – im Moment zu sperren und so die Infektionsgefahr zu minimieren? Das schreibt uns die Familie Gratopp.

Tschentscher: Ich habe das nicht konkret vor Augen. Aber wenn es wirklich im öffentlichen Raum ganz besonders enge Orte gibt, könnte man das in Erwägung ziehen. Aber jeder kann für sich selbst Konsequenzen ziehen. Wenn ich unterwegs bin und mir an einer Engstelle Menschen entgegenkommen, dann warte ich einen Moment. Das ist auch beispielsweise in Läden so. Aber ich habe wahrgenommen, dass die meisten Hamburgerinnen und Hamburger sehr diszipliniert sind. Wir können nicht überall im öffentlichen Raum, wo es eng ist, Schilder aufstellen oder absperren. Wir sind darauf angewiesen, dass alle mitdenken.

Die Regeln für öffentliche Kontakte sind bekannt. Aber die in den „eigenen vier Wänden“? Es gibt kleine Partys, Spielabende, gesellige Zusammenkünfte, schreibt Jochen Grote.

Tschentscher: Es gibt die Regel, keine private Feier zu veranstalten. Wir können nicht alles kontrollieren. Es ist für einen selbst gut, keine Kontakte zu suchen. Auch wenn jemand schon seit zehn Jahren alle drei Wochen mit Freunden Doppelkopf spielt, ist es zu empfehlen, jetzt einmal auszusetzen. Denn wir wissen nicht, ob wir selber oder ein anderer vielleicht doch bisher noch unbemerkt Coronaviren in uns tragen. Die Erfahrungen anderer Länder lehren uns, Kontakte so zu verringern, dass wir die Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser Viren reduzieren. Deswegen empfehlen wir ja auch, Familienfeiern möglichst zu verschieben und zumindest nur im engsten Kreis zusammenzukommen. Zum Beispiel bei Trauerfeiern. Die kann man nicht verbieten. Aber wir wollen, dass sich dann nur der engste Kreis trifft.

Eine Leserin hat uns ein Foto von im Pulk stehenden Süchtigen gemailt. Aufgenommen hat sie es aus Distanz am Suchtzentrum am Hauptbahnhof.
Die Menschen sollen Hilfe und Methadon erhalten, aber ohne Sicherheitsabstand sei das nicht tragbar, schreibt sie.

Tschentscher: Diese Leserin hat etwas beobachtet, das Innen- und Sozialbehörde schon als Problem bearbeiten. Es gibt Personengruppen, zu denen ist der Zugang schwierig. Wir mussten zum Beispiel eine Obdachlosen-Notunterkunft in Quarantäne nehmen, da es dort Infizierte gab. Das ist nicht leicht, da sich bestimmte Personengruppen nicht viel sagen lassen und dies eine Personengruppe ist, bei der es schwierig ist zu regulieren und zu sanktionieren. Trotzdem versuchen wir es natürlich auch hier.

Thema: Einkauf

Warum gibt es nicht spezielle Einkaufszeiten, in denen nur Risikopersonen wie Senioren einkaufen dürfen?, wollen Eva Kalla und andere Leser wissen.

Tschentscher: Wir sind mit der momentanen Situation im öffentlichen Raum eigentlich ganz zufrieden. Wenn wir feststellen, dass die Infektionszahlen nicht weiter explodieren, und das scheint sich anzudeuten, dann kommen wir mit den jetzigen Auflagen und Regulierungen zu Recht. Wir haben in Folge der deutschlandweit geltenden Beschränkungen inzwischen eine sehr viel bessere Lage als noch vor zwei oder drei Wochen, als viele noch die Maßnahmen in Frage gestellt hatten. Außerdem haben wir gesagt, dass in den Läden Mindestabstände einzuhalten sind. Das schützt gleichermaßen. Es sind ja nicht nur Senioren gefährdet. Wir werden im Laufe dieser Woche ein Zwischenfazit ziehen und überlegen, ob wir weitergehende Maßnahmen treffen sollen oder ob wir auf der Grundlage der Einschätzung der Experten an den aktuellen Maßnahmen festhalten. Wir wollen, sobald es geht, die Regeln ja sogar wieder lockern. Nur können wir das jetzt nicht versprechen und auch keinen Zeitpunkt nennen. Wenn uns die Experten des Robert-Koch-Instituts sagen, dass wir mit der Lockerung der Maßnahmen verantwortungsvoll handeln, dann werden wir das tun. Auf Wochenmärkten mit engen Wegen ist es noch schwieriger als in Supermärkten, Abstandsregeln einzuhalten.

Leserin Carola Timm schreibt: Bitte lassen Sie die Wochenmärkte geöffnet und sorgen dort für die Sicherheitsabstände.

Tschentscher: Würde man die Märkte schließen, würde es in den Läden noch voller. Genau deswegen haben wir die Wochenmärkte ausgenommen von den Verfügungen. Wir haben gesagt, Wochenmärkte sollen weiter möglich sein. Es ist hier sogar etwas günstiger als in geschlossenen Läden mit räumlicher Enge. Aber die Stände sollten so aufgebaut werden, dass man Ansammlungen, Enge, Schlangen vor Verkaufsstellen vermeidet.

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Thema: Kritik am Senat

Warum reagiert Hamburg so langsam und inkonsequent, Bundesländer wie Bayern oder das Saarland sind konsequenter. Das schreibt Nils Ahr.

Tschentscher: Der Eindruck entsteht, weil die Öffentlichkeitsarbeit der Regierungen unterschiedlich ist. Einige setzen sehr stark auf Ankündigungen, und wenn man dann genau schaut, wann was in Kraft tritt, sieht das plötzlich anders aus. Wir haben viele Maßnahmen vor anderen Ländern in Kraft gesetzt, weil wir Verfügungen sofort veröffentlicht und damit wirksam gestellt haben. Es gibt auch unterschiedliche Arten vorzugehen, Bayern hat zum Beispiel eine andere Logik in der Verfügung. Die haben gesagt: ‚Alle sollen in der Wohnung bleiben und wir regeln die Ausnahmen, unter denen man die Wohnung verlassen kann.‘ Die meisten anderen Länder haben stattdessen gesagt: ‚Wir blicken auf die öffentlichen Kontakte, die müssen wir verringern.‘ Ich finde: Unsere Regeln sind in bestimmter Hinsicht dadurch sogar strenger und von der Wirkung her sinnvoller. Denn in Bayern liest man zum Beispiel in der Verfügung, dass es gute und triftige Gründe gibt, die Wohnung zu verlassen – für einen Besuch bei Alten und Kranken. Das ist zwar so nicht gemeint, kann aber eher missverständlich sein. Wir wollen ja gerade nicht, dass kranke oder ältere Menschen jetzt überhaupt besucht werden. Was wir unbedingt vermeiden sollten, ist Verwirrung zu stiften.

Die Task Force unter der Leitung der Gesundheitssenatorin geht laut der Kritik der Hamburger Kliniken nicht entschieden und organisiert genug vor. Ist Frau Prüfer-Storcks mit ihrer Aufgabe überfordert? Das fragen Jens Burghard und einige weitere Leser, die unter anderem kritisieren, dass es in Hamburg keine Testzentren gibt.

Tschentscher: Nein, Frau Prüfer-Storcks ist sehr erfahren und macht ihre Sache sehr gut. Sie ist seit neun Jahren in diesem Amt. Sie kennt das Gesundheitswesen sehr gut. Sie hat auch Krisenerfahrung – denken Sie an die Ehec-Krise. Über die Testzentren haben wir bereits gesprochen. Die Tests waren von Anfang an in Hamburg gut organisiert, auch wenn es wegen der Überlastung der Hotline zwischenzeitlich Engpässe gab. Man muss auf jeden einzelnen Kritikpunkt schauen. Denn wir haben im Grunde genommen nicht eine einzige Krise, sondern wir haben 20 Krisen gleichzeitig. Es gibt überall Brennpunkte, die sich aus der Epidemie heraus ergeben. Deshalb ist es für uns als Stadt, aber auch für das ganze Land, unglaublich schwierig, jedes einzelne Problem sofort in den Griff zu bekommen. Es gibt ganz viele Brandherde gleichzeitig, und wir müssen Prioritäten setzen.

Ich bin der Meinung, die Hamburger haben ein Recht zu wissen, wie viele Coronainfizierte es in welchem Stadtteil oder in welchem Bezirk gibt. So formuliert es Herr oder Frau Lichte. Warum veröffentlicht der Senat diese Zahlen nicht?

Tschentscher: Die Frage ist, welche Detaillierung wir in der Berichterstattung brauchen. Rund 2000 Erkrankte auf Bezirke, Stadtteile oder gar Straßenzüge aufzuteilen, würde einem nicht weiterhelfen. Egal wo Sie unterwegs sind, Sie müssen Abstand halten, egal welche Zahl dort gilt. Wir wissen ja auch nicht, wie sich die Infektion weiter ausbreitet. Eine Stadt oder ein Bundesland, das heute noch wenig betroffen ist, kann durch die Dynamik der Lage schon nächste Woche stark betroffen sein. Wir haben momentan sehr, sehr viele Infektionsfälle in Bayern und in Baden-Württemberg, was vielleicht an der Nähe zu Österreich, Frankreich oder Italien liegt. Wir hatten in Hamburg ein Problem mit den Urlaubsrückkehrern aus den Frühjahrsferien. Ganz viele Hamburger haben Infektionen aus Risikogebieten zum Beispiel in Österreich mitgebracht, weil zum Zeitpunkt ihrer Reise noch gar nicht bekannt war, dass es sich um Risikogebiete handelt.

Thema: Schulen und Abitur

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Schulen und Kitas am 19. April wieder öffnen?

Tschentscher: Das kann ich nicht in Wahrscheinlichkeitsrechnungen herleiten. Es besteht die Möglichkeit, dass wir die Regelung noch für einen längeren Zeitraum aufrechterhalten müssen. Aber darüber sprechen wir nach Ostern, das haben wir mit der Bundeskanzlerin und allen Bundesländern vereinbart. Auf Grundlage der Einschätzung zum Stand der Epidemie durch Experten werden wir diese Entscheidung treffen.

Warum wird für die Abiturprüfungen die Kontaktsperre aufgehoben?, will nicht nur Michael Krause wissen.

Tschentscher: So würde ich das nicht formulieren. Wir wollen die Prüfungen so organisieren, dass es zu großen Abständen kommt. Wir trauen uns zu, das so sicherzustellen, dass es zu keinen Infektionsrisiken kommt. Man kann das nicht vergleichen mit der Schulschließung an sich. Im Schulbetrieb kommen vielen Schülerinnen und Schüler eng zusammen. In den Klassen, der Aula, den Pausen. Diese Situation ist sehr infektionsriskant. Eine Prüfung zu organisieren in großen Räumen mit großen Abständen, ist möglich. Uns ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in Hamburg mit ihrem Abiturzeugnis kein Problem bekommen und weiterhin überall studieren können.

Wie wollen Sie ältere Lehrer schützen, wenn die Schulen wieder öffnen, fragt Wolfgang Schydlo?

Tschentscher: Genau deswegen überlegen wir so genau, wie es weitergeht. Ich kann noch nicht sagen, wann wir die Schulen oder Hochschulen wieder öffnen. Möglicherweise gehen wir dabei schrittweise vor und besprechen im Detail, was das für das Personal bedeutet. Viele Hamburger werden trotz der Entschuldigung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther unser Nachbarbundesland nicht mehr so unbefangen sehen…, kritisiert Herr Schydlo weiter in seiner Mail. Er spricht die sehr unfreundliche Situation an, dass auch diejenigen, die schon länger in ihrer Ferienwohnung an der Küste waren, plötzlich aufgefordert wurden, abzureisen.
Das war so nicht vorgesehen, das hat auch Herr Günther mir bestätigt. Es ist also eine Klarstellung erfolgt. Ich bin sehr dafür, dass wir die gute und freundschaftliche Beziehung bei uns im Norden in dieser Coronasituation nicht auch noch unter die Räder kommen lassen. Die Landesregierung hat sich entschuldigt, die Verfügungen wurden korrigiert. Alle Verantwortlichen in Politik und Medizin wollen zurzeit keine Urlaubsreisen oder Ausflüge. Wir müssen Verständnis für einander haben. Denn wir wollen ja auch nicht, dass aktuell Massen von Touristen nach Hamburg kommen. Für ganz Deutschland gilt: Bitte bleibt zu Hause.

Thema: Wirtschaftliche Hilfe

Wem hilft die Stadt jetzt wie?

Tschentscher: Unser Hamburger Corona-Schutzschirm bezieht sich nicht nur auf klassische Unternehmen. Auch Kultureinrichtungen oder Sportvereine können wirtschaftliche Unterstützung bekommen. Sie müssen sich melden und darlegen, dass Sie durch die Coronakrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Der Fahrdienst Moia, um ein Unternehmen zu nennen, meldet für Teile der Belegschaft Kurzarbeit an. Kein Kurzarbeitergeld bekommen Rentner, die dort nebenbei arbeiten.

Was können sie tun, wenn sie auf den Zusatzverdienst angewiesen sind, fragt Herr Voigt. Was ist mit Studenten, die den Nebenjob verlieren, mit dem sie ihre laufenden Ausgaben finanzieren, da sie kein BAFöG erhalten?

Tschentscher: Wenn die Menschen mit ihren Lebenshaltungskosten jetzt nicht mehr zurechtkommen, können sie sehr unkompliziert aufstockende Leistungen für das tägliche Leben beantragen. Momentan entfällt die umfassende Vermögensprüfung.

Wo kann ich mich melden, wenn ich Hilfe benötige?

Tschentscher: Am besten ist, die Betroffenen melden sich unter der Hotline 115, dort kann man sich erkundigen. Wer grundsätzlich arbeitsfähig ist, kann bei den Jobcentern diese Unterstützung beantragen. Viele Unternehmen beantragen für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit. Die bekommen dann in der Regel 60 Prozent ihres letzten Lohns. Für viele Betroffene ist das aber deutlich zu wenig, um davon in Hamburg zu leben.

Bekommen sie Unterstützung von der Stadt, fragt exemplarisch Gerhard Lengeling?

Tschentscher: Ja. Das System hat sich schon in der Finanzkrise 2008/2009 bewährt. Da wo es nicht reicht, sollte man sich nicht scheuen, aufstockende Leistungen zu beantragen. Das gilt nicht auf Dauer, aber für die Zeit, in der es sonst zu knapp wäre. Der Bundesrat hat vergangene Woche das Sozialschutzpaket beschlossen.

Wird Hamburg dieses Paket nutzen, um die Kindertagespflege in der Stadt abzusichern, fragt Tagesmutter Julia Leuther.

Tschentscher: Alle können die Leistungen dieses Pakets in Anspruch nehmen. Aber wir vermitteln auch die Leistungen des Bundes, wenn es zum Beispiel um Kleinst- und Kleinunternehmen geht.

Wie lange kann Hamburg den Shutdown durchhalten ohne längerfristigen Schaden?, fragen viele Leser.

Tschentscher: Je stärker eine Wirtschaft ist, je solider die Unternehmen sind, um so widerstandsfähiger sind sie auch in so einer Situation. Es ist im Grunde genommen wie mit dem Luftanhalten: Die ersten zehn Sekunden sind noch leicht, die nächsten werden schon schwieriger. Und irgendwann braucht man wieder Luft. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir die Sondersituation ganz stark begrenzen, dass wir möglichst alles tun, um die Epidemie einzugrenzen in ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit. Dann sind die Maßnahmen auch schneller wieder lockerbar. Und dann werden die Folgen auch geringer sein. Unser Ziel ist, die Folgewirkung wirtschaftlicher und sozialer Art so gering wie möglich zu halten, indem wir jetzt Hilfestellung leisten, gerade am Anfang auch große Schritte gehen und alles dafür tun, dass die Dauer der Sondersituation möglichst kurz ist.

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