Hamburg. Chefarzt Dr. Michael Lipp von der Asklepios Klinik Barmbek spricht im Podcast über Bauchfellkrebs und macht Patienten Hoffnung.

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Corona überall. Covid-19 ist die Erkrankung, über die seit einem Jahr die Welt spricht. Doch nur, weil andere Krankheiten deshalb weniger im Fokus stehen, heißt es leider nicht, dass sie Pause machen: So gehört beispielsweise Darmkrebs mit bundesweit mehr als 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr nach wie vor zu den häufigsten Krebs­arten, ist die zweithäufigste Form bei Frauen und die dritthäufigste unter Männern. „Die onkologische Chirurgie läuft bei uns in der Klinik deshalb derzeit auch wie gewohnt weiter. Man kann den betroffenen Patienten ja auch schlecht vermitteln: Jetzt ist Pandemie, deshalb verschieben wir deinen eigentlich dringenden Eingriff“, sagt Dr. Michael Lipp, Chefarzt in der Klinik für Gastrointestinale und Colorektale Chirurgie an der Asklepios Klinik Barmbek.

Bauchfellkrebs galt lange als unbehandelbar und unheilbar

In einer neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, die kostenfrei unter anderem auf abendblatt.de zu hören ist, macht der Mediziner vor allem jenen Patienten Hoffnung, bei denen der Dickdarmkrebs bedauerlicherweise bereits gestreut hat. Diagnose: Bauchfellkrebs. „Bösartiger Krebs bildet mitunter ja leider Tochtergeschwulste, zum Beispiel in der Leber oder in den Lymphknoten. Eine dritte Variante dieser sogenannten Metastasierung ist die diffuse Ausbreitung in der Bauchhöhle“, erklärt der Chefarzt. Der ursprüngliche Tumor sei dann so gewuchert, dass er die gesamte Darmwand überschreite. Zellen lösen sich und lagern sich ab. „In manchen Fällen ist dann der gesamte Bauchraum voll mit diesen Geschwulsten.“

Doch wie häufig kommt das vor? Von 100 Darmkrebspatienten hätten etwa 50 Prozent mit Metastasen zu kämpfen. Und etwa zehn Prozent dieser Gruppe entwickele Bauchfellkrebs. Eine Diagnose, die lange, lange Zeit als so gut wie nicht behandelbar galt. Und falls doch therapiert wurde, so waren die Nebenwirkungen oft stark. Die Heilungsaussicht tendierte gen null.

Das änderte sich mit dem amerikanischen Chirurgen Paul Sugarbaker, der in den 90er-Jahren das sogenannte HIPEC-Verfahren entwickelte, das auch in Barmbek etwa alle drei Wochen einmal durchgeführt wird. „Als Chirurg kannst du natürlich nur das entfernen, was du siehst. Das bedeutet aber, dass mikroskopisch kleine Tumorzellen, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind, im Bauchraum verbleiben. Und genau da setzt das Verfahren an“, sagt Dr. Lipp.

Operation plus flüssige Chemo ist die Idee hinter HIPEC

Denn HIPEC sei eine Kombination aus Operation im ersten Schritt und einer lokalen Spülung des Bauchraums im zweiten Schritt. „Das ist eine erwärmte, liquide Chemotherapie.“ Mit einem Hospitanz-Stipendium erlernte der Chefarzt aus Barmbek vor gut fünf Jahren das Verfahren am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg, das innerhalb Deutschlands als eines der führenden Häuser auf diesem Gebiet gilt. Der Eingriff, der sechs bis acht Stunden dauert, gilt als herausfordernd. „Es wird immer schwierig, wenn man multiviszeral operiert, also an vielen Stellen und mehreren Organen gleichzeitig operiert“, erklärt der erfahrene Chirurg. „Ich war damals total beeindruckt: Wie können die Kollegen bitte so schnell den Bauchraum so sauber bekommen?“

Es sei am Ende wie mit vielen Dingen: Wenn man etwas häufig tue, werde man besser und entwickle große Freude daran. „Der Eingriff ist für mich immer noch besonders und auch faszinierend, aber auch ein bisschen Routine.“

Viele Patienten melden sich in Barmbek

Aus dem gesamten Norden meldeten sich viele Patienten mit Bauchfellkrebs, der auch als Folge von beispielsweise Magenkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs entstehen kann, in Barmbek und erkundigen sich nach dem innovativen Verfahren. „Leider kommt aber nicht jeder Patient dafür infrage“, sagt der Chefarzt. „Es muss ein Tumor mit ,guter Prognose‘ sein, wie wir Mediziner das nennen.“ Bei Dickdarmkrebs, der im Bauchraum gestreut habe, sei das am ehesten der Fall. „Zudem muss der Patient natürlich in einer guten Verfassung sein, um einen so langen Eingriff gut zu verkraften.“

Dann erzählt der Mediziner eindrucksvoll von einem Fall, der Mut macht: „Ich hatte einen Patienten, dem man überall gesagt hatte: Wir können wirklich nichts mehr für Sie tun. Der Mann, ein Sportler, hatte mit seinem Leben abgeschlossen, sogar schon die eigene Beerdigung geplant. Dann haben wir ihn mit dem HIPEC-Verfahren behandelt; und er gilt jetzt als fast geheilt.“ Wobei man das natürlich erst sicher fünf Jahre nach dem Eingriff sagen könne. „Aber auch wenn wir das Leben, wie in anderen Fällen, um ein paar Monate verlängern können, dann ist das für das Team und mich ein großer Erfolg.“

Handwerk im OP, Heimwerken zu Hause in der Werkstatt

Das Ergebnis des eigenen Handelns zu sehen, das mache den Reiz der Chirurgie aus. „Man muss nicht warten, bis ein Medikament wirkt, sondern kann mit dem eigenen Handwerk viel erreichen.“ Übrigens etwas, das der Mediziner auch in seiner Freizeit schätzt: „Ich bin Heimwerker, habe eine eigene Werkstatt.“ Bei den Resultaten sei er aber bescheidener als im OP: „Gerade habe ich einen abgebrochenen Hammerstiel ersetzt, das hat mich einigermaßen stolz gemacht.“