Hamburg. Urologie-Chefarzt Christian Wülfing über moderne Krebstherapien. Warum ein Roboter bei Prostata-OPs hilfreich ist.

podcast-image

Prostatakrebs, Blasenkarzinom, ein Tumor in der Niere: „Alles Diagnosen, die man nicht bekommen möchte. Da will man nicht dabei sein, das ist klar“, sagt Professor Dr. Christian Wülfing. „Aber die gute Nachricht ist: Es besteht Hoffnung, dass wir die meisten dieser Patienten durch moderne Therapien von ihrem Krebs befreien können.“

Welche Möglichkeiten es mittlerweile gibt, das erklärt der habilitierte Chefarzt, der seit zehn Jahren die Urologie an der Asklepios Klinik Altona leitet, in der aktuellen und für dieses Jahr letzten Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Es habe sich unglaublich viel getan, zum Beispiel bei der Therapie von Nierentumoren, einem Spezialgebiet in Altona.

„Bis in die späten 1990er-Jahre hinein wurde die Niere bei einem Befall in der Regel komplett entfernt. Heute können wir organerhaltend operieren und tun das auch zu 90 Prozent“, sagt der Mediziner. „Meinen Patienten sage ich zwar immer, dass sie auch mit nur noch einer Niere sogar Bundespräsident werden können, wie man an Frank-Walter Steinmeier sieht, der ja seiner Frau eine Niere gespendet hat.“ Das Risiko eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts, das hätten Studien gezeigt, sei jedoch geringer, wenn das paarweise angelegte Organ komplett bleibe.

Nierenkrebs ist meistens ein reiner Zufallsbefund

Warnsignale, die auf Nierenkrebs hindeuteten, gebe es kaum, auch die Ursache sei bisher nicht hinlänglich erforscht. „Meistens handelt es sich tatsächlich um einen reinen Zufallsbefund.“ Fest stehe nur, dass dreimal mehr Männer als Frauen erkranken. Aus unbekanntem Grund. „Daran sieht man mal wieder, wie ungerecht die Welt ist“, sagt der zweifache Vater augenzwinkernd.

Bei der Therapie setzt der Urologe mit seinem Team auch auf den neuartigen Da-Vinci-Roboter, der auch bei Operationen der Prostata eingesetzt wird. „Diese Technik, die ja nicht den Operateur ersetzt, sondern ihn einfach nur noch besser macht, hat viele Vorteile“, sagt der gebürtige Münsteraner, der in seiner Heimatstadt studiert, promoviert und sich habilitiert hat und auch seit 2009 eine Professur an der Westfälischen Wilhelms-Universität innehat. „Für den Patienten ist natürlich toll, dass der Eingriff sehr schonend ist und er meist schon nach zwei, drei Tagen die Klinik verlassen kann.“

Prostata-OP: Inkontinenz vermeiden, Sexualität erhalten

Für ihn als Operateur sei aber vor allem die durch 3-D-Technik „perfekte Sicht“ für eine präzise Operation entscheidend. „Gerade bei Prostatakrebs, der mit 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr häufigsten Krebsart bei Männern, geht es um zwei sehr sensible Themen: Es darf auf keinen Fall passieren, dass der Patient nach dem Eingriff inkontinent ist. Und die Erektionsnerven müssen erhalten bleiben.“

Zunehmend hat der Chefarzt, dessen Vater ebenfalls Urologe ist („er hat mich dahingehend aber nicht gedrängt“), auch mit Patienten zu tun, die an Blasenkrebs erkranken. „Das trifft oft Menschen über 60, und da diese Altersgruppe wächst, steigen auch die Fallzahlen“, sagt Professor Wülfing, der seit vier Jahren auch Sprecher der Fachgesellschaft für Urologie ist.

Doch was sind die Symptome bei Blasenkrebs? „Deutlich sichtbares Blut im Urin ist alarmierend, es sei denn Sie haben am Vortag kiloweise Rote Bete gegessen, dann kann es auch schon mal zu einer leichten Verfärbung kommen.“ Anders als bei einer äußerst unangenehmen Blasenentzündung verursache ein Tumor in der Blase gar keine Schmerzen. „Das ist sehr tückisch, denn die Blutung kann nach kurzer Zeit aufhören, was den Betroffenen natürlich in falscher Sicherheit wiegt.“ Denn Früherkennung sei immer von Vorteil. „Dann ist der Tumor womöglich noch nicht in den Muskel eingewachsen.“

Kompliziert: Wenn der Tumor in den Muskel einwächst

Bei einer Blasenspiegelung („viele haben davor Angst – völlig unbegründet! Das superdünne Endoskop flutscht nur so da durch, und nach zwei Minuten ist alles vorbei“) erkenne man einen Tumor, der aussehe wie eine Koralle, sofort. „Für den eigentlichen Eingriff setzen wir dann eine Mini-Schlinge vor das Endoskop und der Tumor wird rausgepflückt wie ein Champignon am Stiel.“

Bei 70 Prozent der Patienten könne der Tumor auf diese Weise entfernt werden. „Leider haben diese oberflächlichen Tumoren die unangenehme Eigenschaft, zurückzukehren.“ Alle drei Monate, später alle sechs Monate müsse die Blase kontrolliert werden. „Ich habe Patienten, bei denen muss alle zwei, drei Jahre wieder etwas rausgeschält werden. Das ist lästig, aber nicht tragisch.“

Schwieriger sei die Lage, wenn der Tumor in den Muskel eingewachsen sei. „Dann kommen wir um eine Entfernung der Blase oft nicht herum“, sagt der Mediziner. Manche Patienten müssten danach mit einem künstlichen Ausgang („nicht schön, aber die Betroffenen freunden sich schnell damit an“) leben, bei anderen werde die Blase rekonstruiert. „Locker gesagt: Da klauen wir uns vom fünf Meter langen Dünndarm einen halben Meter und basteln daraus eine Kugel, die angeschlossen wird“, sagt der Klassik-Fan, der auch im OP gern Musik hört. „Das Team entscheidet. Manchmal ist da so neues Zeug dabei, da muss ich mich auch erst eingrooven.“