Hamburg. Chefarzt Professor Dr. Michael Hoffmann über schmerzende Schultern. Wann eine OP sinnvoll ist und welche Sportart schont.

„Jeder, der schon mal Beschwerden mit der Schulter hatte, weiß: Das ist extrem unangenehm, schon allein wegen der Nähe zum Kopf“, sagt Professor Dr. Michael Hoffmann.

Das „Volksleiden Nummer eins“ könne ganz unterschiedliche Ursachen haben, erklärt der 44 Jahre alte Chefarzt, der seit knapp acht Wochen an der Asklepios Klinik St. Georg die Abteilung für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportorthopädie leitet, in der neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem beliebten Medizin-Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. „Oft ist sogar mit der Schulter an sich alles in Ordnung, aber mit den Strukturen drumherum stimmt eben etwas nicht. Und das schränkt dann die Beweglichkeit ein.“

Großer Oberarmkopf und kleine Schulterpfanne

Damit anatomisch alles reibungslos laufe, müssten der sehr große Oberarmkopf und die sehr kleine Schulterpfanne zueinander finden. „Der Größenunterschied ist wie bei Sonne und Erde. Das ist komplex, da kann schon mal etwas passieren“, sagt der habilitierte Mediziner, der von Fachmagazinen zu den renommiertesten Schulterexperten des Landes gezählt wird.

Doch wann hilft die Wärmflasche nicht mehr, wann sollte der Betroffene zum Arzt? „Bei akut eingeschränkter Schulterfunktion, beispielsweise nach einem schweren Sturz, sollte man natürlich zeitnah einen Experten aufsuchen. Chronische Schmerzen gehen aber auch tatsächlich mal von alleine wieder weg oder können mit Physiotherapie oder Cortisoninjektionen sehr gut behandelt werden.“

Seine eigene Schulter sei ein „Leckerbissen für jeden Operateur“

Eine Operation sei gar nicht immer notwendig, sagt der Schulterchirurg, der in Heidelberg und Bergen/Norwegen studiert und einige Jahre am UKE geforscht und gearbeitet hat, ehe er als Chefarzt an die Schön Klinik in Neustadt/Holstein wechselte. „Es ist die Aufgabe eines jeden verantwortungsvollen Arztes zu schauen, wie Bildgebung und Beschwerden des Patienten zusammenpassen.“

Und der verheiratete Vater von zwei Kindern, der in seiner raren Freizeit Ironman Triathlon betreibt (3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer radfahren und danach ein Marathon), sagt; „Wenn man sich jetzt Bilder meines Knies oder meiner Schulter anschauen würde, dann sehen die wegen der Verschleißerscheinungen hundertprozentig nach einem Leckerbissen für jeden Operateur aus.

Verschleißerscheinungen hat jeder über 40

Aber ich habe überhaupt gar keine Beschwerden.“ Insofern müsse man vor jedem Eingriff schon ganz genau abwägen: „Verschleißerscheinungen hat jeder über 40. Aber wenn nichts wehtut, müssen die meisten Veränderungen auch nicht operiert werden.“

Anders sei die Lage bei Knochenbrüchen nach Unfällen, wenn zum Beispiel der Schulterkopf vom Stiel gebrochen sei. Auch eine ausgerenkte Schulter sei in der Regel „eine solide OP-Indikation“, sagt der Experte, der einen Teil seiner Ausbildung in Großbritannien absolviert hat. Die Schulter müsse dann zunächst eingerenkt werden, ehe die abgerissene Gelenklippe mit Hilfe der Arthroskopie, also einem minimal-invasiven Eingriff, wiederhergestellt werde. „Meine absolute Lieblingsoperation“, sagt der Unfallchirurg, der einst am UKE mit Kollegen an einem Navigationssystem mitgeforscht hat, mit dessen Einsatz sich die exakt richtige Stelle für den Eingriff punktgenau finden lässt.

Künstliche Schultergelenke sind besser als ihr Ruf

Besser als ihr Ruf seien mittlerweile übrigens künstliche Schultergelenke, sagt der Chefarzt aus St. Georg. „Allerdings muss man den Betroffenen, die in der Regel unter schwerer Arthrose leiden, immer noch erst mal die Angst nehmen. Viele fürchten, sie würden mit so einem Wackelarm aus der Klinik kommen. Das ist gar nicht so.“

Tatsächlich habe sich in der Endoprothetik unglaublich viel getan. „Kürzlich habe ich einen Badmintonspieler operiert. Der schlägt jetzt mit der künstlichen Schulter mindestens so gut wie vorher“, sagt der Mediziner, der an seiner alten Wirkungsstätte pro Jahr etwa 100 künstliche Schultergelenke eingesetzt hat. „Das ist eine jeweils einstündige Teamleistung, die aber der Übung bedarf.“

Was ist mit dem Impingement-Syndrom?

Und was ist eigentlich mit dem berühmten Impingement-Syndrom? „Ja, das kommt vor – aber lange nicht so oft, wie es behandelt wird.“ Im Grunde sei das eine eher seltene „Kolibri-Erkrankung“, die aber in den letzten Jahren bekannt geworden sei und deren Name seither „fast inflationär“ benutzt werde. „Dass sich in dem besonders engen Raum unterm Schulterdach Sehnen schmerzhaft einklemmen, kommt vor, aber es ist eben auch nicht immer die Ursache für eine eingeschränkte Beweglichkeit.“

Um der Schulter etwas Gutes zu tun, sollte man schwimmen, walken, gezieltes Krafttraining machen. Und Ironman Triathlon betreiben? „Eher nicht“, lacht der Chefarzt. „Vor vier Jahren habe ich nach einer Neujahrswette damit angefangen. Es tut höllisch weh, aber man lernt sich selbst mal von einer neuen Seite kennen.“