Hamburg. Kardiologie-Chefarzt über Schrittmacher: Was die modernen Geräte alles können und was beim Tod passiert.

Herzschrittmacher? So ein Fremdkörper in der Brust? Muss das wirklich sein? Privatdozent Dr. Gerian Grönefeld kennt die Sorgen vieler Patienten und die Ängste der Angehörigen. „Aber ich kann da immer alle beruhigen: Das ist kein Gruseleingriff, da wird auch nicht der ganze Brustkorb geöffnet, wie mancher fürchtet“, sagt der Chefarzt der Abteilung für Kardiologie an der Asklepios Klinik Barmbek in einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Medizin-Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios.

Ein Schrittmacher wird gebraucht, wenn der Taktgeber des Herzens ausfällt

Es handele sich viel mehr um einen kleinen, risikoarmen „Routineeingriff“, der bei lokaler Betäubung und meist ambulant durchgeführt werde und im Schnitt nicht länger als eine knappe halbe Stunde dauere. „Bevor ich zu diesem Gespräch kam, habe ich auch noch schnell einen Schrittmacher eingesetzt“, sagt der habilitierte Mediziner, der mit seinem Team in Barmbek jedes Jahr rund 300 dieser Eingriffe durchführt. Bundesweit werden jedes Jahr rund 100.000 Schrittmacher implantiert.

Doch wem hilft ein Herzschrittmacher? „So wie eine Brille das Lesen erleichtert, so gleicht auch ein Herzschrittmacher eine Fehlfunktion aus, die in den meisten Fällen altersbedingt auftritt. Die meisten meiner Patienten sind über 70 Jahre alt“, sagt der erfahrene Kardiologe, der in diesem Jahr aber auch schon einem 17-jährigen Mädchen geholfen hat. Es habe unter einem angeborenen, aber bis vor Kurzem unentdeckten, sogenannten AV-Block gelitten, einer starken Herzrhythmusstörung. „Das Mädchen selbst hatte sich aber Zeit seines Lebens schon so daran gewöhnt, beim Sport oder beim Tanzen eben nicht so gut mitmachen zu können, dass die Erkrankung lange nicht diagnostiziert wurde.“ Ein Schrittmacher werde eben immer dann gebraucht, wenn der Taktgeber des Herzens ausfalle. „Man muss sich das wie bei einem Orchester vorstellen, dem plötzlich der Dirigent fehlt.“

Früher Banker in New York, heute Kardiologe in Barmbek

Seit 1961 an der Uniklinik Düsseldorf der bundesweit erste Herzschrittmacher eingesetzt wurde – drei Jahre zuvor war „Weltpremiere“ in Stockholm – habe sich die Technik natürlich deutlich weiterentwickelt. „Wie bei Autos oder Skiern – die sahen vor 60 Jahren auch noch ganz anders aus“, sagt der gebürtige Rheinländer, der in seinem „ersten Leben“, wie er es nennt, als angehender Bankkaufmann in Köln und New York arbeitete, ehe er beim Zivildienst im Krankenhaus sein Herz für den Arztberuf entdeckte, die Lehre kurzerhand abbrach („meine Eltern, Kaufleute, dachten: Jetzt ist er völlig verrückt geworden“) und zum Studium der Medizin nach Hamburg kam.

„Die ganz frühen Herzschrittmacher waren jeweils so groß wie eine Schuhcremedose und wogen locker ein halbes Pfund. Länger als ein Jahr hielten sie kaum“, sagt der Chefarzt. Heute dagegen handele es sich um Mini-Computer von der Größe einer Fünf-Mark-Gedenkmünze. „Die Herzschrittmacher heute, die übrigens locker zehn, manchmal aber auch 16 oder 17 Jahre halten, sind dank künstlicher Intelligenz so etwas wie eingebaute Gesundheitsmonitore“, so der Experte. Er erlebe es zum Beispiel häufiger, dass ein Patient mit einer Rhythmusstörung vorstellig werde und dann erst mal frage: Was sagt mein Herzschrittmacher dazu? „Völlig richtig, denn der moderne Herzschrittmacher speichert EKGs. Uns liegt dann nämlich nicht nur ein Langzeit-EKG vor, sondern sogar ein Dauer-EKG, das den Verlauf von 365 Tagen anzeigt. Diese Daten sind natürlich hilfreich, zum Beispiel bei der Behandlung von Vorhofflimmern.“

Schrittmacher verhindert nicht das friedliche Sterben

In der Regel reiche es aus, einen erfolgreich implantierten Schrittmacher einmal im Jahr zu kontrollieren. „Aber es geht ja nicht nur um das Gerät, sondern in erster Linie um das Wohlergehen des Patienten.“ Dass den Patienten nach dem Eingriff ein „Fremdkörper-Gefühl“ beschleiche, komme vor. „Wenn Sie mit einer frischen Füllung vom Zahnarzt kommen, ist das auch so. Oder wenn Sie erstmals eine Brille tragen, dann drückt die vielleicht auch erst mal ein bisschen. Doch mit der Zeit baut der Körper eine Schutzschicht um den Schrittmacher, er wächst also stärker ein und diese Beschwerden verschwinden in der Regel.“

Doch was passiert mit dem Schrittmacher beim Sterben? „Ein wichtiges Thema, das vielen Patienten auf der Seele brennt, aber meist noch ein Tabu ist“, sagt der Chefarzt. „Es ist nicht so, dass es in der Brust ewig weiter tickt und man durch den Schrittmacher unsterblich wird.“ Er verhindere nicht das friedliche Einschlafen, beruhigt Dr. Gerian Grönefeld. „Wenn der Herzmuskel nicht mehr funktioniert, dann nützt auch der Schrittmacher nichts.“

Mittlerweile würden Schrittmacher manchmal übrigens auch bei Katzen, Hunden oder Rennpferden eingesetzt. „Denn sie leiden als Säugetiere an den gleichen Herzerkrankungen wie wir Menschen. Es gibt Tier- und Fachkliniken, die diese Eingriffe durchführen.“