Hamburg. Podcast: In der neuen Folge geht es um den Tsunami 2004 in Südostasien, der auch für eine Frau aus Norddeutschland zu Verhängnis wurde.

Tsunamis – das waren früher häufig Begebenheiten, die weit weg waren und uns nicht besonders angingen. Doch dieser Tsunami, der am 26. Dezember 2004 durch Südostasien tobte, bestürzte die ganze Welt. Insgesamt starben durch das Beben und seine Folgen etwa 230.000 Menschen, viele davon waren Urlauber aus allen Teilen der Welt.

Das Beben, das so viele Betroffene das Leben kostete, hatte die Stärke 9,1. Sein Epizentrum lag etwa 85 km vor der Nordwestküste der indonesischen Insel Sumatra. Auf offener See werden die Wellen selten mehr als 50 Zentimeter hoch. Doch sie pflanzen sich mit Riesengeschwindigkeit fort. Gefährlich werden die Wellen in der Nähe von Küsten und Inseln. Beim Tsunami 2004 kam es zu ansteigenden Flutwellen von mehr als 30 Höhenmetern. Beim Auftreffen auf die Küsten richteten sie verheerende Schäden an.

Tsunami-Katastrophe: Eine Riesenwelle bringt den Tod

„Hunderttausende Tote, Millionen Betroffene, die ihr Hab und Gut verloren haben: Solche gigantischen Zahlen können wir uns kaum vorstellen“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Was diese Kata­strophe für die einzelnen Menschen bedeutet, die davon betroffen waren, wollen wir anhand eines Schicksals aufzeigen, nämlich an dem einer Frau aus Norddeutschland. Sie ist 53 Jahre alt und wohnt in Bremen.“ Über den Fall hat das Autoren-Duo auch in seinem Krimi-Sachbuch „Vermisst“ geschrieben.

Im Fall der Urlauberin aus Bremen war die Hoffnung, sie könnte den Tsunami doch unbeschadet überlebt haben, bei ihrer Familie noch eine ganz Weile vorhanden. Die Angehörigen telefonierten alle möglichen Adressen ab, sie schrieben Mails und kontaktierten die Polizei. Sie suchten über Internetseiten nach der 53-Jährigen, zum Beispiel auf einer Plattform für Taucher und Schnorchler. Die Hoffnung war, die aktive, lebensfrohe Medizinerin könnte noch irgendwo anders hingefahren sein, fort von dem thailändischen Küstenort Kaoh Lak. Und deshalb in Sicherheit.

Tsunami 2004: Im Urlaub zu Tode gekommen

„Diese Vorstellung ist so viel angenehmer, als sich mit der viel wahrscheinlicheren Möglichkeit auseinandersetzen zu müssen“, sagt Mittelacher, „Dass für die 53-Jährige ein Urlaubsparadies zur Hölle geworden sein könnte. Dass sie womöglich während ihres Urlaubs ertrunken ist.“

Als in den Ländern wie Indonesien, Thailand und Indien doch immer weniger Hoffnung für vermisste Bürger besteht, schreibt eine Bremer Zeitung über die vermisste Ärztin: „Viele, die von den riesigen Wellen hinweggerissen wurden, wird das Meer nie wieder hergeben.“ Zu diesen Opfer gehöre wahrscheinlich auch die Medizinerin aus der Hansestadt. „Unter ihren Patienten macht sich langsam tiefe Traurigkeit breit.“

„Herzschrittmacher oder Prothesen können eine Identifizierung ermöglichen“

Die riesige Zahl von etwa 230.000 Todesopfern und weiteren rund 110.000 Verletzten nach der furchtbaren Flutwelle führte sehr rasch zu ausgedehnten multinationalen Hilfsmaßnahmen. Aus Deutschland waren bereits in den ersten Tagen nach der Katastrophe etliche Teams zur Unterstützung im Einsatz – unter anderem auch Ärzte der Hamburger Rechtsmedizin. „Es war eine besondere Herausforderung, da es so viele Tote gab“, erklärt Rechtsmediziner Püschel. „Die hohen Temperaturen – in Südostasien war damals Hochsommer – haben die Situation noch erschwert. Die Experten müssen zu Beginn der Aktion unter freiem Himmel arbeiten, bei sengender Hitze von fast 40 Grad Celsius.“

Außerdem förderte die Hitze die Verwesung der Toten. „Um die Verstorbenen zu identifizieren, halfen die Rechtsmediziner unseres Teams bei der Sicherung von Fingerabdrücken. Zudem wurden Tätowierungen und Narben genau dokumentiert, der Zahnstatus festgestellt. Gegebenenfalls wurden die Leichname auch obduziert, weil Herzschrittmacher oder Prothesen eine Identifizierung ermöglichen können. Oder es werden Zellen aus Blut, Organen oder Knochen für DNA-Analysen extrahiert.“

Von 550 vermissten Deutschen konnten 520 identifiziert werden

Parallel zu den Untersuchungen im Katastrophengebiet wurden in den Heimatländern der Vermissten Maßnahmen zur Identifizierung vorgenommen. Die Polizei sicherte unter anderem Ausweispapiere, zahnärztliche Unterlagen, Röntgenbilder sowie Gegenstände, die bei DNA-Untersuchungen herangezogen werden können, also etwa Zahnbürsten und Kämme. Diese Daten müssen mit den Befunden von den Toten verglichen werden. „Letztlich war es ein großer Erfolg, weil von den 550 Deutschen, die vermisst wurden, mehr als 520 identifiziert werden konnten“, so Püschel.

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Unter den sicher identifizierten Toten ist auch die Bremer Ärztin. Entscheidend für die Identifizierung der 53-Jährigen ist damals der Zahnstatus. Beim Abgleich ergibt sich am 24. Februar, also rund acht Wochen nach dem Tsunami, dass es sich definitiv um die Medizinerin handelt. Ihr Leichnam kann in die Bundesrepublik überführt werden. Ihre sterblichen Überreste werden schließlich im Mai 2005 nach einer Trauerfeier in einem Urnenbegräbnis beigesetzt.