Die Verluste der Volksparteien bei der Wahl in Schleswig-Holstein sind nach Ansicht von Politikwissenschaftlern eine Folge der Großen Koalition in Land und Bund. “Große Koalitionen lähmen den Parteienwettbewerb“, sagte Professor Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen.

Hamburg/Kiel. Der ewige Dauerkompromiss eines Bündnisses aus CDU und SPD verunsichere den Wähler: "Die Parteien haben wenig Möglichkeiten, sich zu profilieren."

Die CDU hatte bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein am Sonntag eine schwere Schlappe hinnehmen müssen. Sie stürzte in den Kreisen und kreisfreien Städten von 50,8 auf 38,6 Prozent ab. Einbußen musste auch die SPD hinnehmen, während die Linke und andere kleine Parteien überraschend gut abschnitten. Dennoch blieb die CDU klar stärkste Partei vor der SPD, die von 29,3 auf 26,6 Prozent noch unter ihr Rekordtief von 2003 fiel.

Bei der Wahl am Sonntag kam nach Ansicht des Parteienforschers Lothar Probst die "doppelte Große Koalition", also im Bund und im Land, erschwerend hinzu. Typisch für das nördlichste Bundesland sei zudem die Zerstrittenheit der beiden Volksparteien in Personalfragen und auch bei großen politischen Vorhaben, sagte der Experte von der Universität Bremen.

CDU und SPD seien nicht in der Lage gewesen, ihre Stammwähler zu mobilisieren: "Und wer seine Stammwähler nicht hinter sich hat, kann auch keine Wechselwähler gewinnen", fügte Probst hinzu. Ein Grund für das schlechte Abschneiden beider Volksparteien sei also ein massives Mobilisierungsproblem. Zudem gelte die alte Regel "Was die eine große Volkspartei verliert, gewinnt die andere zumindest teilweise hinzu" wohl nicht mehr richtig: "Die Wähler der Volksparteien wechseln direkt zu den kleineren Parteien oder gehen gar nicht wählen."

Für Korte war das Wahlergebnis nicht überraschend. Auch die geringe Wahlbeteiligung von 49,5 Prozent sei die logische Folge aus der Arbeit einer Großen Koalition und den fehlenden Möglichkeiten der Parteien, sich zu profilieren: "Wenn die Bürger bei einer Wahl keine Macht zuteilen oder nehmen können, bleiben sie zu Hause."

Die Erfolge für die Linkspartei zeigen laut Korte, dass sich in Deutschland bereits ein System aus fünf Parteien etabliert hat. "Die Erfolge der kleineren Parteien sind unübersehbar." Dass die kommunalpolitischen Themen beim Urnengang keine entscheiden Auswirkungen hatten, sei nicht verwunderlich. Dies sei nur in kleineren Gemeinden ein Faktor: "Je größer die Städte, desto weniger unterscheiden die Leute zwischen Kommunal-, Landes- und Bundespolitik."

Je weniger die Wähler zudem traditionell an bestimmte Parteien gebunden seien, desto mehr spielten auch Faktoren wie etwa die Diskussion um das Amt des Bundespräsidenten oder die Diätenerhöhung eine Rolle: "Insofern kam deutlicher Gegenwind aus Berlin."

Nach Ansicht von Parteienforscher Probst sind Kommunalwahlen auch nicht wirklich mit denen auf Bundes- und Landesebene vergleichbar: "Hier probieren die Leute auch mal etwas aus, was sie bei einer Wahl auf Landes- beziehungsweise Bundesebene nicht machen würden."