Sollte die Gewalt außer Kontrolle geraten, will der geistliche Führer der Tibeter als Leiter der Exilregierung zurücktreten.

Dharmsala. Für den Fall exzessiver Gewalt in Tibet hat der Dalai Lama seinen Rücktritt von der weltlichen tibetischen Führung angedroht. Er habe keine andere Option, wenn die gewaltsamen Proteste außer Kontrolle geraten sollten, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter heute im indischen Exil in Dharmsala. Sein ranghoher Berater Tenzin Takhla begründet dies damit, dass der Dalai Lama völlig dem Prinzip der Gewaltfreiheit verpflichtet sei. Er würde aber immer der Dalai Lama bleiben.

Der angedrohte Rücktritt ist nicht mit der Demission eines Politikers zu vergleichen, wie Andreas Hillmer, politischer Referent am Tibet-Zentrum in Hamburg, betont. Schließlich sei der Dalai Lama nicht einmal Chef der tibetischen Exilregierung. Es gehe ihm mit seiner Drohung vor allem um die Verteidigung der moralischen Instanz seines Amtes. "Wenn man den Dalai Lama der Kriegsführung bezichtigt, dann wird er alles tun, um seine Friedfertigkeit unter Beweis zu stellen", sagte Hillmer.

Der buddhistische Geistliche selbst rief seine Landsleute zur Mäßigung auf. Zuvor hatte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao ihn und seine Anhänger für die Ausschreitungen bei den Protesten verantwortlich gemacht. Die Unruhen hätten schwere Verluste an Menschenleben und Eigentum verursacht, sagte Wen am Dienstag vor dem Volkskongress in Peking.

Zugleich wandte er sich gegen eine politische Debatte über die Olympischen Sommerspiele. Er warf den Aktivisten für die Unabhängigkeit von Tibet vor, die Spiele in Peking gezielt stören zu wollen. Die Proteste missachteten den Wunsch des chinesischen Volkes nach einem Erfolg der Sportveranstaltungen im August.

"Die Olympischen Spiele in Peking werden eine großartige Versammlung für Menschen aus der ganzen Welt sein", sagte Wen. "Wir müssen die Grundsätze der Olympischen Spiele und die Olympische Charta respektieren und sollten die Spiele nicht politisieren."

Die Sportminister der Europäischen Union sowie Russland, die Vereinigten Staaten und Australien haben sich gegen einen Boykott der Olympischen Spiele ausgesprochen.

Heute versammelten sich nach Angaben des tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie mit Sitz in Indien tausende Tibeter in Seda, einer Stadt in der chinesischen Provinz Sichuan. Die Lage sehr "extrem gespannt".

In Sydney demonstrierten heute etwa 100 tibetische Auswanderer und Unterstützer gegen das Vorgehen der chinesischen Regierung. Vor dem chinesischen Konsulat kam es zu einem kurzen Handgemenge mit der Polizei. Andere Demonstranten verbrannten chinesische Fahnen und hielten Bilder des Dalai Lama hoch. Bereits am Montag kam es auch zu Protesten in Berlin, München, London und New York. Bei neuerlichen Demonstrationen in Nepal wurden etwa 50 Menschen festgenommen.

Nach amtlichen Angaben aus Peking wurden bei dem antichinesischen Aufstand seit Freitag 16 Menschen getötet. Exil-Tibeter sprechen von bis zu 80 Todesopfern. Die Proteste in Lhasa begannen friedlich am 10. März, dem Jahrestag der Niederschlagung des tibetischen Aufstandes gegen die chinesische Herrschaft 1959.