69 Änderungen der Verfassung sollen das lateinamerikanische Land nach dem Willen von Chavez auf Kurs bringen, um einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ zu verwirklichen. Demoskopen erwarten äußerst knappen Ausgang.

Caracas. Mit 140.000 Soldaten hat die Regierung am Sonntag das Referendum über eine neue Verfassung überwacht. Die Abstimmung findet im Zeichen zunehmender Spannungen statt, nachdem es bei Protesten von Studenten gegen den linksgerichteten Präsidenten Hugo Chavez wiederholt zu Zusammenstößen mit der Polizei und den als "Chavistas" bezeichneten Anhängern der Regierung gekommen war.

Die 69 Änderungen der Verfassung sollen das lateinamerikanische Land nach dem Willen von Chavez auf Kurs bringen, um einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" zu verwirklichen. Abgeschafft wird unter anderem die bisherige Begrenzung der Zahl von Amtszeiten des Präsidenten, so dass Kritiker Chavez vorwerfen, eine Regierung auf Lebenszeit anzustreben. Ebenfalls abgeschafft wird die bisherige Unabhängigkeit der Notenbank.

Die Umfragen vor dem Referendum ergaben kein eindeutiges Bild, so dass erstmals eine Niederlage für Chavez möglich erschien, nachdem er die Präsidentenwahl im vergangenen Jahr noch mit 63 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Die Anteile der Befürworter und der Gegner der Verfassung seien fast gleichauf, so dass es unmöglich sei, ein Ergebnis vorherzusagen, erklärte der Meinungsforscher Luis Vicente Leon vom Institut Datanalisis. Bei einem knappen Ausgang wird befürchtet, dass sich die Spannungen in Venezuela weiter verschärfen.

Chavez brachte das Referendum zuletzt in Verbindung mit seinem Konflikt zu Washington. "Jeder, der mit 'Nein' stimmt, stimmt für George W. Bush", sagte der Präsident. Am Samstag drohte er den USA mit einem Stopp der Ölexporte, falls sich die Regierung in Washington einmischen sollte. "Dann könnt ihr unser Öl vergessen", sagte Chavez.

Oppositionsführer Manuel Rosales, der sich im vergangenen Jahr vergeblich um die Präsidentschaft bemüht hatte, rief Chavez auf, bei einer Niederlage im Referendum dies auch zu akzeptieren. Der Verlauf der Abstimmung sollte von rund 100 Wahlbeobachtern aus 39 Ländern begleitet werden. Nicht vertreten waren diesmal jedoch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die Europäische Union.