Schock, Ratlosigkeit und eine überraschende Wendung: Die beiden Kölner Schüler im Alter von 17 und 18 Jahren, die ursprünglich einen Amoklauf in ihrer Schule beabsichtigten, hatten die Pläne für ihre Bluttat schon vor vier Wochen aufgegeben. Der 18-Jährige wurde am Montagabend nach ausführlichem Verhör überraschend freigelassen.

Der 17-Jährige hatte am Freitag Selbstmord begangen. Auch er wäre sonst nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt worden. Eine akute Gefahr für die Schule habe nicht mehr bestanden, sagte Staatsanwalt Alf Willwacher. In einem früheren Stadium sei die Tat aber durchaus detailliert geplant worden.

Der 18-jährige Verdächtige habe glaubhaft dargelegt, dass er die Tat doch nicht hatte begehen wollen. Unter anderem habe er von dem 17-Jährigen eine Sehne und die Pfeile für die Armbrust zurückgekauft, die sie bei der Tat ursprünglich hatten verwenden wollen. Aus dem Chat-Verkehr der beiden gehe hervor, dass dann auch der 17-Jährige gesagt habe, allein wolle und könne er die Tat nicht ausführen, erklärte der Staatsanwalt. Der 18-Jährige habe sich freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben.

Noch am Sonntagabend hatte es bei der Polizei geheißen, dass die beiden Schüler bei einem Amoklauf zahlreiche Mitschüler und Lehrer hätten töten wollen. Die Polizei war zunächst auf die Attentats- Fantasien des 17-Jährigen in einem Schüler-Internetportal aufmerksam geworden und hatte ihn zur Rede gestellt. Nach dem Gespräch, an dem auch die Schulleitung beteiligt gewesen war, nahm er sich mit einem Sprung vor die Straßenbahn das Leben.

Während des gesamten Montags herrschte am Georg-Büchner-Gymnasium Fassungslosigkeit unter Lehrern und Schülern. Nach Bekanntwerden der vermeintlichen Anschlagspläne war der Unterricht ausgefallen. An diesem Dienstag - dem Jahrestag des Amoklaufs von Emsdetten und dem befürchteten Termin für die Bluttat von Köln - sollen Lehrer, Schulpsychologen und Notfallseelsorger mit den Schülern über die Ereignisse sprechen.

Nach dem Freitod des 17-jährigen Gymnasiasten wurden Vorwürfe aufgrund der Polizeitaktik laut. Die Ermittler wehrten sich gegen Kritik, den Selbstmord des jungen Mannes mitverschuldet zu haben. Die Jugendpsychiaterin Prof. Beate Herpertz-Dahlmann sagte der dpa, die Polizei hätte den Schüler nicht "ohne jede Begleitung" nach Hause schicken dürfen.

Der Kriminalpsychologe Prof. Rudolf Egg widersprach: Die Polizei treffe keine Schuld. Auch Landesschulministerin Barbara Sommer (CDU) wies die Vorwürfe zurück. "Man kann auf keinen Fall sagen, er sei in dem Gespräch so zusammengefaltet worden, dass er keine Perspektive mehr sah", sagte sie. "Dass er so reagieren würde, hat sicherlich keiner erwartet."

Nach Angaben Sommers sah es so aus, als hätten die beiden Schüler vorgehabt, ihrem eigenen Leben nach einem Amoklauf ein Ende zu setzen. Deswegen hätten die Lehrer und die Polizei Hinweise von Schülern ernst genommen und damit richtig gehandelt. "Wir sind auf diese Schule stolz", sagte Sommer.

Die Kölner Schulleiterin Beatrix Görtner beschrieb den 17-Jährigen als "unauffälligen jungen Mann". Der 18-Jährige sei "schon sehr introvertiert, trug schwarz", habe aber keinen Anlass zur Sorge gegeben. Nach Angaben Sommers gehört der 18-Jährige zur Gothic- Szene.

Die Mutter des 17-Jährigen kümmerte sich laut Sommer um ihren Sohn. Aus Polizei- und Justizkreisen verlautete, Amokläufer kämen typischerweise auch nicht aus sozial schwachen Familien. Kinder aus schlechten Stadtteilen, die sich von Anfang an auf der Straße behaupten müssten, neigten eher nicht zu solch plötzlichen Gewaltausbrüchen aus lange angestauter Frustration.

Die möglichen Tatwaffen der beiden Kölner Schüler wären nach Angaben der Polizei wohl in erster Linie ihre beiden Armbrustwaffen gewesen. "Es hat auch Schießübungen gegeben", sagte ein Sprecher. Außerdem hätten sie sich auf den Bau von Rohrbomben und Molotowcocktails vorbereitet.