Die Neufassung der Telefonüberwachung und die vorsorgliche Speicherung von Telefon- und Internetdaten lösen immer heftigere Kritik aus. Kurz vor der Entscheidung des Bundestages protestieren Anwälte, Ärzte, Journalisten, Datenschützer und Oppositionspolitiker massiv gegen beide Vorhaben.

Berlin. Sie warnten vor einer Aushöhlung der Grundrechte. Für den Abend riefen Gegner der Neuregelung zu Demonstrationen in mehr als 30 Städten auf. Sollte das Gesetz am Freitag verabschiedet werden, rechnet der Deutsche Anwaltverein mit einer Verfassungsklage.

Die Kritiker sehen mit dem Gesetzesvorhaben ganze Berufsgruppen unter Generalverdacht gestellt. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor einer totalen Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht, wenn der Patient damit rechnen müsse, in der Arztpraxis abgehört zu werden. "Kein potenzieller Straftäter redet mit seinem Arzt über seine Straftaten. Er redet mit ihm vielleicht über seine Sünden." Der Präsident des Anwaltvereins, Hartmut Kilger, sagte, es sei durch nichts belegt, dass Verbrechen in Gesprächen mit Anwälten geplant würden. Der Entwurf ebne weiter den Weg "zu dem Verlust der in einem Rechtsstaat notwendigen Privatheit".

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) warnte vor katastrophalen Folgen für die Pressefreiheit, wenn künftig alle Daten von Telefon- und Internetverbindungen für ein halbes Jahr gespeichert werden. "Wo werden sich dann noch Informanten finden, die sich mit Journalisten unterhalten, damit die Journalisten investigativ arbeiten können? Das geht dann eigentlich nur noch auf der Parkbank", sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Konken beklagte einen "Rangunterschied" beim Schutz verschiedener Berufsgruppen. "Abgeordnete und Strafverteidiger werden im ersten Rang geschützt und dann kommen die Journalisten. Ich meine, die Journalisten müssen ganz oben stehen, weil ihre Arbeit für die Demokratie so wichtig ist." Auch die Ärzte und Anwälte protestierten gegen ein "Zwei-Klassen-System" bei den Berufsgeheimnisträgern.

Die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht in der Vorratsdatenspeicherung einen Richtungswechsel im Datenschutz. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sollte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe höchstpersönlicher Daten schützen. Die Linken drohten mit einer Verfassungsklage. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte, die Regierung sei mit ihren Überwachungsplänen "gewillt, alle Bürger als Verdächtige zu behandeln".

Die Polizeigewerkschaften verteidigten das Gesetzesvorhaben und nannten die Angst vor einem "gläsernen Bürger" unbegründet. "Der Bürger kann sicher sein, dass die Polizei verantwortungsvoll mit diesen Daten umgeht", versicherte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) warf den Kritikern Panikmache vor.