Ein Bestechungs-Skandal erschüttert Polen. Ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten soll versucht haben, eine Abgeordnete der Opposition zu kaufen. Der Grund: Nach dem Bruch der Koalition muss die noch regierende PiS schleunigst eine neue Mehrheit finden, um an der Macht zu bleiben. Besonders pikant: Eine versteckte Kamera filmte den Bestechungsversuch – das Video lief bereits im polnischen Fernsehen.

Warschau. Es soll kaum fassbar gewesen sein, was da am späten Dienstagabend im polnischen Nachrichtensender TVN 24 über den Bildschirm flimmerte: Da sitzt Kabinettschef Adam Lipinski mit leicht verrutschter Krawatte neben einer Topfpflanze und versichert Renata Beger, eine Abgeordnete der radikalen Bauerpartei Samoobrona, ein Parteiwechsel solle nicht ihr Schaden sein. Ein Posten als Staatssekretärin sei kein Problem.

Das Kalkül hinter der Offerte ist unschwer zu durchschauen. Nach dem Koaltions-Bruch mit Samoobrona (wir berichteten) muss die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) schleunigst eine neue Mehrheit im Parlament zusammenbringen, um an der Macht zu bleiben. Zwar würde allein die Stimme von Renata Berger der PiS nicht viel nützen, doch nach Ansicht von Beobachtern würde das Überlaufen dieser besonders bekannten Abgeordneten einen Domino-Effekt auslösen und den Machterhalt der PiS somit begünstigen.

Die Video-Bilder aus dem Hotelzimmer von Renata Beger bedeuten für die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" das "Ende der Regierung Jaroslaw Kaczynski". Jaroslaw Kalinowski, ein hochrangiger Vertreter der Partei, sagte gegenüber einem Fernsehsender: "Das ist Korruption. Das ist abstoßend. Wir sind überzeugt, dass es nichts mehr zu reden gibt."

Der Chef der größten Oppositionspartei, Donald Tusk von der liberalen Bürgerplattform, warf der Regierung ebenfalls Korruption vor und forderte neben einem Rücktritt des Ministerpräsidenten eine Auflösung des Parlaments. "Heute müssen alle anständigen Menschen den sofortigen Rücktritt Jaroslaw Kaczynskis fordern", sagte er bei einer Pressekonferenz. Die Regierungspartei habe "bewusst an einem Bestechungsversuch teilgenommen".

Die Regierungspartei wies die Vorwürfe zurück. Was ihr stellvertretender Parteichef Adam Lipinski getan habe, "kann nicht politische Korruption genannt werden", sagte der hochrangige PiS-Vertreter Tadeusz Symanski der Nachrichtenagentur PAP. Die PiS werde sich weiter um eine Mehrheit bemühen, erklärte Marek Kuchcinski, der ebenfalls zur Parteiführung gehört.

Staatspräsident Lech Kaczynski hatte am Freitag den stellvertretenden Regierungschef Andrzej Lepper entlassen. Damit riskiert die von der PiS geführte Regierungskoalition den Verlust von 46 Stimmen der Abgeordneten von Leppers Partei Selbstverteidigung der Republik und damit auch den Verlust der Mehrheit im Sejm.

Die radikale Bauernpartei könnte nun zum Zünglein an der Waage werden. Sollte die PiS genügend Abgeordnete für eine neue Koalition gewinnen, könnte sie an der Regierung bleiben. Ohne eine Beteiligung der Bauernpartei bliebe der PiS jedoch nur die Einleitung vorgezogener Wahlen. Die Rückkehr zu einer Minderheitsregierung hatte die PiS indirekt ausgeschlossen, indem sie sich bereits am vergangenen Freitag für Neuwahlen ausgesprochen hatte, wenn keine neue Mehrheit im Parlament gebildet werden könnte.

Da die Bauernpartei nach Bekanntwerden des Bestechungs-Skandals heute Koalitionsgespräche mit der PiS abgelehnt hat, werden Neuwahlen in Polen immer wahrscheinlicher. Der Chef der Bauernpartei, Waldemar Pawlak, sagte zu den Bestechungsvorwürfenl, der Ministerpräsident müsse den Vorfall erklären. "Die Situation ist sehr ernst."