In der kommenden Woche wird uns Alexandre besuchen, wir sind allesamt ziemlich aufgeregt. Alexandre kommt als französischer Austauschschüler, unser Sohn war im März bei ihm an der Côte d’Azur. Was sollen wir mit ihm unternehmen? Miniatur Wunderland? Hansa-Park? Was sollen wir kochen für ihn? Wird unser eingerostetes Schulfranzösisch überhaupt reichen?

In diesen Tagen denke ich oft an meinen viel zu früh verstorbenen Vater. Auch er war in Südfrankreich, vor un­gefähr 75 Jahren, es sollte seine einzige Auslandsreise bleiben. Im Dienste des Dritten Reiches überlebte er sie knapp, erst 1947 kehrte er ausgezehrt aus der Kriegsgefangenschaft in Nizza zurück.

Peter Wenig
Peter Wenig © HA / A.Laible | Andreas Laible

Als meine Großeltern ihn damals an die Front verabschiedeten, war er ungefähr so alt wie unser Hannes jetzt, ein halbes Kind noch. Was müssen seine Eltern für Ängste ausgestanden haben.

Nicht einmal acht Jahrzehnte später werden die beiden Jungs Waffengewalt höchstens auf der Kinoleinwand erleben, irgendein guter Actionfilm wird hoffentlich laufen. Ansonsten werden sie Burger essen, Sport machen, vielleicht werden sie sogar Freunde. Zahlen werden sie mit dem Euro, beide haben nie eine andere Währung kennengelernt.

Nicht einmal acht Jahrzehnte, ein Wimpernschlag in der Geschichte, liegen zwischen Waffengang und Austausch. Nein, dieses neue Europa ist großartig, trotz der Rettungsschirme, trotz EU-Bürokratie, trotz der Flüchtlingskrisen. Wir dürfen es uns nur nicht kaputt machen lassen von dumpfen Nationalisten.

In diesem Sinne: Bienvenue, cher Alexandre!