Ahrensburg. Kreisarchiv hat Nachlass des Wissenschaftlers Johann Heinrich Flögel restauriert. Ahrensburg eröffnet Ausstellung über sein Leben.

Er ist einer der berühmtesten Ahrensburger. Und doch ist der Forscher Johann Heinrich Ludwig Flögel (1834–1918) in seiner Heimat nur wenigen Eingeweihten ein Begriff. Das soll sich jetzt ändern. Das Kreisarchiv Stormarn hat mehr als 1000 Unterlagen des wissenschaftlichen Multitalents mit finanzieller Hilfe des Landes restaurieren lassen. Und der Historische Arbeitskreis Ahrensburg bereitet für Mai/Juni eine Ausstellung über Leben und Werk im Rathaus vor.

„Flögel war unglaublich vielseitig, er beschäftigte sich mit Technik, Medizin und Natur“, sagt Bernd Reher vom Historischen Arbeitskreis. Im Februar 1879 machte der Wissenschaftler, der heute vor 100 Jahren im Alter von 83 Jahren in Ahrensburg starb, die weltweit erste Aufnahme eines Schneekristalls. Die stark vergrößerten Bilder hatte das Ehepaar Plage, das heute in Flögels früherem Haus an der Waldstraße wohnt, nach dem Einzug in den 1970er-Jahren zufällig entdeckt: in einem feuchten Pappkarton im Keller. Noch bis März sind die Originale als Leihgabe des Stadtarchivs in der Bundes-Kunsthalle in Bonn zu sehen.

Er beschrieb Hagel-Unwetter und die Oldesloer Saline

„Johann Flögel hat sich mit den unterschiedlichsten Dingen beschäftigt, auch mit Dichtung und Religion“, sagt Stefan Watzlawzik, Leiter des Stormarner Kreisarchivs in Bad Oldesloe. Das hat mit Zuschüssen aus dem Landesprogramm zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes im Vorjahr nicht nur Protokolle des Kreistags, alte Grundbücher, Brandverordnungen und Schulverzeichnisse aufarbeiten und digitalisieren lassen, sondern auch Flögels Nachlass. Den hatte das Museum für Bergedorf und die Vierlande 2008 ans Kreisarchiv abgegeben, weil Flögel in jungen Jahren Schreiber im Amt Reinbek war.

Bei der Restauration kamen etliche interessante Aufzeichnungen ans Tageslicht. So beschrieb der Forscher detailliert einen Hagelzug vom 23. Mai 1852 vom Hamburger Westen bis nach Tritt­au. Dazu zeichnete er eine genaue Karte. „Solche historischen Unwetterkarten sind wichtig, damit können Meteorologen auch Rückschlüsse für heute ziehen“, sagt Watzlawzik. Flögel beschäftigte sich aber auch mit Elektromotoren und einer Flugmaschine für Menschen. Im Juli 1853 fertigte er einen detailreichen Plan der Oldesloer Saline an. Auf der Zeichnung sind sogar die Förderbänder genau zu erkennen.

Seltener Job: Papier-Restauratorin

Studien zum Planetensystem und zur Insektenkunde – wie der preisgekrönte Aufsatz „Monographie der Johannisbeeren-Blattlaus“ oder Fotos von in Scheiben geschnittenen Insektengehirnen – sind jetzt ebenfalls zu sehen. Selbst über private Dinge führte der Forscher akribisch Buch: So legte er als 20-Jähriger eine persönliche Wäscheliste mit allem vom Hemd bis zur Socke an. Darin notierte er beispielsweise, dass er eine von seiner Mutter geschenkte weiße Unterhose nach einem knappen Jahr an seinen Bruder weitergegeben habe ...

Die Hamburger Restauratorin Gudrun Kühl hat alle Akten professionell aufgearbeitet. „Zunächst befreie ich die Papiere von Staub und Schmutz, dann geht es an die größeren Aufgaben.“ So werden Risse mit besonders dünnem Papier hinterklebt und verknickte Ränder geglättet. „Einige Unterlagen waren auch richtig zerknüllt, die muss man vorsichtig befeuchten und dann langsam glätten“, sagt die Fachfrau. Sie ist eine der wenigen Papier-Restauratorinnen im Norden. Im Studium hat sie sich auf diese Richtung spezialisiert.

Bisher 320.000 Euro für 59 Projekte

„Im Vergleich zu Denkmälern aus Stein drohte das Schriftgut verloren zu gehen“, sagt Susanne Bieler-Seelhoff, Leiterin der Kulturabteilung im Landesbildungsministerium. Das Förderprogramm mit fast 1,5 Millionen Euro seit 2011 soll das ändern. „Tintenfraß, Schimmelpilz, säurehaltiges Papier und unsachgemäße Lagerung setzen vielen Dokumenten zu“, so Bieler-Seelhoff. „Wir wollen diese Unikate restaurieren und für die Nachwelt sichern.“

Stormarn profitiert besonders stark von den Zuschüssen aus Kiel – auch weil Kreis und Kommunen fleißig Anträge stellen. Seit 2013 flossen rund 320.000 Euro für 59 Projekte in den Kreis. „Wichtig ist uns, dass die Arbeiten nicht in irgendwelchen Kellern weggeschlossen werden, sondern frei zugänglich sind“, sagt Landrat Henning Görtz. Das ist dank der schonenden Digitalisierung bei einer Spezialfirma in Dresden auch möglich.

Viele Anfragen: Zusendung digitaler Dateien

Die Unterlagen stehen künftig Schülern, Studenten, Hobbyforschern und Wissenschaftlern zur Verfügung. „Mittlerweile bekommen wir fast ausschließlich Anfragen mit der Bitte um Zusendung digitaler Dateien“, sagt die Ahrensburger Stadtarchivarin Angela Behrens. Das schont auch die Originale, die nun nicht mehr ständig herausgeholt und angefasst werden müssen.

Beim Kreisarchiv stehen die Aufzeichnungen von Johann Flögel nun gut verpackt im Magazin im Keller: bei optimalen 18 Grad Celsius und konstant 50 Prozent Luftfeuchtigkeit.