Hamburg. Abgeordnete befragen den Bürgermeister im Sonderausschuss vier Stunden zu G20. Die Opposition treibt ihn in die Enge.

Nachdenklich, zumeist freundlich und selten schroff auf Fragen eingehend, wenn auch nicht immer direkt – mehrere Stunden lang stand Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Abgeordneten des Sonderausschusses der Bürgerschaft zum G-20-Gipfel mit seinen gewalttätigen Ausschreitungen Anfang Juli Rede und Antwort. Vor rund 100 Zuhörern im Großen Festsaal des Rathauses blieben große Neuigkeiten aus, aber die Opposition trieb Scholz einige Male in die Enge.

Der Bürgermeister benannte erstmals klar, wann er wegen der Gipfel­ereignisse zurückgetreten wäre. „Wenn jemand stirbt, kann ich nicht im Amt bleiben. Das war mir vorher klar“, sagte Scholz in seiner Antwort auf eine Frage der Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir. „Das ist Gott sei Dank nicht passiert bei allen Schwierigkeiten, die wir hatten“, ergänzte Scholz. Özdemir hatte danach gefragt, welche Rolle in der Diskussion der Sicherheitslage vor dem Gipfel die Tatsache gespielt habe, dass bei dem G-20-Gipfel im italienischen Genua ein Demons­trant ums Leben gekommen war.

Scholz erneuert seine Entschuldigung

Scholz betrat den Großen Festsaal um kurz vor 17 Uhr und begrüßte lächelnd jeden Abgeordneten per Handschlag. In seinem rund 20-minütigen Eingangsstatement erneuerte der Bürgermeister seine Bitte um Entschuldigung bei den Hamburgern dafür, dass die von ihm vor dem Gipfel gegebene „Sicherheitsgarantie“ nicht eingehalten worden ist. „Wir sind davon ausgegangen, alles Menschenmögliche für die Sicherheit getan zu haben“, sagte Scholz. „Ich habe den Satz damals so gesagt, weil ich davon überzeugt war, dass es so sein wird.“

Auf die Nachfragen, warum er eine öffentliche Sicherheitsgarantie vor dem Gipfel ausgesprochen hat, antwortet Scholz mehrmals nach demselben Muster: Er habe sich auf die Einschätzung der Sicherheitsbehörden verlassen. „Ich empfand das Zusammenspiel der Behörden als exzellent und tue das immer noch.“ Mehr als fünfmal verwies er im Ausschuss auf eine Sitzung am 29. Mai im Kanzleramt, an der auch die Spitzen von Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Verfassungsschutz teilgenommen hatten. Kanzlerin Merkel habe dort gefragt: „Geht das, können wir die Sicherheit gewährleisten?“ Alle Teilnehmer hätten das bejaht.

Scholz räumt Fehleinschätzung im Nebensatz ein

Nach eigenen Angaben kannte Scholz zwar mehrere Dokumente zur Gefahreneinschätzung im Wortlaut, aber nicht etwa den sogenannten Rahmenbefehl der Polizei. Bei seinen Besuchen im Führungszentrum der Polizei sei er „beeindruckt“ über die gute Vorbereitung gewesen. Die FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein sagte, Scholz sei doch bekannt dafür, alle Fakten selbst sehr genau zu prüfen; eine so deutliche Sicherheitsgarantie, „das passt gar nicht zu Ihnen“, so Treuenfels-Frowein. Er habe, so gab Scholz nur zurück, „aus tiefer und innerer Überzeugung“ gedacht, dass die Maßnahmen ausreichen würden.

Die entscheidende Fehleinschätzung der Sicherheitsbehörden hatte Scholz in einem Nebensatz eingeräumt: Man sei davon ausgegangen, dass auch Linksextreme darauf aus seien, mit ihren Aktionen „die Unterstützung der Bevölkerung“ zu gewinnen – und nicht einfach marodierend etwa die Autos von „armen, alten Leuten“ anzünden würden. Scholz lässt in der Befragung nicht erkennen, diese Einschätzung zu irgendeinem Zeitpunkt hinterfragt zu haben. „Wo sind Sie eigentlich am 1. Mai?“, poltert CDU-Fraktionschef André Trepoll in Anspielung darauf, dass es doch immer wieder auch zu anscheinend sinnloser linksextremer Gewalt in Hamburg komme.

Kosten des G-20-Gipfels sorgten für ein Wortgefecht

Cansu Özdemir hielt Scholz seine Aussage aus dem Frühjahr vor, wonach Hamburg mit dem Zuschuss des Bundes von 50 Millionen Euro auskommen werde – inzwischen ist bekannt, dass die Summe überschritten wird. Scholz sagte zunächst, es habe sich immer nur um eine Beteiligung gehandelt. Auch bei seinen früheren Aussagen sei „mitgemeint“ gewesen, „dass es sich nicht um eine Hundert-Prozent-Erstattung handelt“.

Özdemir will nachfragen, wird aber vom Ausschussvorsitzenden Milan Pein (SPD) gebremst, dies passe nicht in die Sitzung. Auch die Obleute von CDU und Linke schalten sich ein – am Ende sagt Scholz giftig, Özdemir könne fortfahren, „dann werde ich erklären, warum ihre Subjunktion falsch ist“.

Plötzlich wurde der Bürgermeister spitzzüngig

Gleich zu Beginn berichtete Scholz, wie alles angefangen hatte. „Mich hat die Kanzlerin am 19. November 2015 angerufen und gefragt, ob Hamburg bereit und willens sei, den G-20-Gipfel auszutragen. Ich habe im Gespräch Zustimmung signalisiert“, sagte Scholz. „Wen und wann haben Sie aufseiten Ihres Koalitionspartners informiert?“, wollte CDU-Fraktionschef André Trepoll wissen. „Ich habe die Zweite Bürgermeisterin noch vor dem Olympia-Referendum am 29. November informiert und sie gebeten, das vertraulich zu behandeln, wie es der Wunsch der Kanzlerin war“, antwortete Scholz. „Wie hat Frau Fegebank reagiert?“, fragte Trepoll.

Da wurde der SPD-Politiker schmallippig und spitzzüngig: „Ich habe mir keine Notizen gemacht. Es war uns beiden klar, dass es keine einfache Situation wird. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Die frühe Information Fegebanks ist durchaus brisant, weil viele Grüne der Austragung des G-20-Gipfels sehr skeptisch gegenüberstanden.

Nach gut vier Stunden war Scholz’ erste Befragung beendet.