Stress kann zu Haarausfall führen. Ursachenklärung durch klinische Untersuchungen und Proben der Kopfhaut

Ein paar Haare auf dem Kopfkissen, drei weitere im Waschbecken und zehn in der Haarbürste: Das ist völlig normal. Wenn jedoch täglich über mehrere Wochen hinweg mehr als etwa 100 Haare verloren gehen, dann handelt es sich um Haarausfall. Betroffen sind davon vor allem Männer. „Die sogenannte Androgentische Alopezie ist erblich bedingt und die häufigste Form des Haarausfalls“, sagt der Hamburger Dermatologe Dr. Welf Prager.

Auch Frauen können Haarausfall haben. Im Gegensatz zu Männern bekommen sie allerdings meistens keine Glatze. Ihr Haar wird vor allem im Scheitelbereich dünner. Neben der Androgentischen Alopezie gibt es noch den diffusen Haarausfall, den kreisrunden und narbigen Haarausfall.

Das Geschäft mit Mitteln, die das Haarwachstum anregen oder den Haarausfall stoppen sollen, boomt. Bevor Betroffene jedoch zu Tabletten und Tinkturen greifen, sollten sie einen Dermatologen aufsuchen. Viele Fachärzte bieten spezielle Haarsprechstunden an, so auch Welf Prager. „Je früher man zur Diagnose kommt, desto leichter ist der Haarausfall zu behandeln. Denn Haar, das weg ist, bleibt weg“, sagt er.

Die Diagnostik beinhaltet zunächst eine umfassende Anamnese. Dazu gehört die Betrachtung der Familiengeschichte. Außerdem fragt der Arzt, ob der Patient durch großen Stress oder andere Extremsituationen belastet wird und er verschafft sich einen Überblick über die eingenommenen Medikamente. „Verschiedene Medikamente wie Antibiotika, fieberhafte Effekte, Narkosen, Hormonveränderungen, Wechseljahre, Schwangerschaften oder die Einnahme der Pille können zu Haarausfall führen“, sagt die Hamburger Dermatologin Dr. Kirsten C. Wiese. Zudem veranlasst der Arzt eine Blutuntersuchung über den Hausarzt oder einen Endokrinologen, durch die sich beispielsweise Hormonstörungen, Eisenmangel oder Funktionsstörungen der Schilddrüse aufdecken lassen. Dazu kommen teilweise eine klinische Untersuchung zur Bestimmung der Haarverankerung in der Kopfhaut, eine Untersuchung mit dem Auflichtmikroskop (Dermatoskopie) und eine computergestützte Untersuchung der Haarwurzeln (Trichoscan). So lässt sich feststellen, welche Art von Haarausfall vorliegt und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. In einigen Fällen sind zur weiteren Abklärung genauere Informationen notwendig, die durch eine biochemische Haar-Mineralstoffanalyse oder eine Proben- entnahme aus der Kopfhaut gewonnen werden.

Nach der Diagnostik entscheidet der Arzt, welche Maßnahmen eingeleitet werden. Bei kreisrundem Haarausfall können eine topische Immuntherapie mit Diphenylcyprone oder eine Laserbehandlung helfen. Durch inter-nistische Erkrankungen bedingter Haarausfall lässt sich zumeist durch die Behandlung ebendieser aus der Welt schaffen. Bei Mangelerscheinungen kann eine Substitutionstherapie hilfreich sein.

Erblich bedingter Haarausfall resultiert meistens aus einer Überempfindlichkeit der Haarwurzeln gegen eine Variante des Hormons Testosteron, das Dihydrotestosteron (DHT). „Die Behandlung zielt darauf ab, die Umwandlung von Testosteron zu DHT zu hemmen. Die Hormonpräparate können als Tinkturen in die Kopfhaut einmassiert oder in Tablettenform eingenommen werden“, erläutert Prager. Über viele Jahre erprobt sind die Wirkstoffe Finasterid und Minoxidil. Das für Männer und Frauen geeignete Minoxidil sorgt für eine bessere Durchblutung und Nährstoffversorgung der Haarfollikel. Der Wirkstoff liegt frei verkäuflichen Produkten wie Regaine zugrunde. Erste Ergebnisse sind frühestens nach vier bis sechs Monaten, teilweise auch erst nach einem Jahr, erkennbar. Wird die Anwendung unterbrochen, besteht die Gefahr, dass Patienten weiter Haare verlieren.

Es dauert oft Monate, bis sich die erste Wirkung zeigt

Für Männer mit androgenetisch bedingtem Haarausfall sind auch Tabletten mit dem Wirkstoff Finasterid zugelassen. Dieser verhindert oder verlangsamt einen Haarverlust. „Auch hier müssen Betroffene Geduld mitbringen. Denn es dauert einige Monate, bis eine Wirkung erkennbar ist“, weiß Prager.

Eine weitere Behandlungsform, um „schlafende“ Haarfollikel wieder zum Leben zu erwecken, ist die PRP-Haarwurzelbehandlung. Sie kann bei nicht krankheitsbedingtem Haarausfall den Aufbau der Haarwurzeln unterstützen. Die Behandlung erfolgt mit Eigenblut. Prager empfiehlt, im Abstand von vier Wochen mehrere Behandlungen durchzuführen.

Neben den klassischen Therapien werden teilweise auch Laserbehandlungen, Botox-Injektionen oder Mesotherapien angeboten. Bei der Mesotherapie werden unter Kühlung der Kopfhaut Wachstumsfaktoren in die Kopfhaut eingespritzt. „Es gibt allerdings noch keine Studien, die die Wirksamkeit dieser Behandlungsformen unterstützen“, gibt Kirsten Wiese zu bedenken. Wenn alles nichts gegen Haarausfall hilft, kann eine Haartransplantation das Mittel der Wahl sein. Wiese: „Diese setzt allerdings voraus, dass der Haarausfall gestoppt ist.“