Alle wollen diese Wohnung haben. Die Schlange der Interessenten zieht sich durchs ganze Treppenhaus bis unten zur Haustür. Manche haben seit Stunden gewartet, sie sind müde und frustriert. Im Zehn-Minuten-Takt werden ganze Gruppen durch die zweieinhalb Zimmer irgendwo in Eimsbüttel geschleust. Der Makler verweist kurz auf das Pitchpine-Parkett und das neue Bad, Fragen werden knapp und vage beantwortet, dann sind schon die nächsten Interessenten dran. Im Vorbeigehen beäugen sich beide Gruppen recht freundlich, aber auch etwas missgünstig – wer wird wohl das große Los ziehen?

Sicherlich kommt Ihnen das alles bekannt vor. Schließlich ist Hamburgs Wohnungsnot ja ein großes Thema, und vielleicht sind Sie sogar selbst betroffen. Die hier beschriebenen Szenen habe ich allerdings nicht in der vergangenen Woche erlebt, sondern vor 25 Jahren. Schon damals wollten alle Altbau, schon damals sollte das potenzielle neue Heim ruhig, zentral und möglichst sonnig liegen. Und die Preise (in D-Mark) kamen uns auch schon unverschämt hoch vor.

Ein paar Unterschiede gab’s aber: Ottensen war gerade „im Kommen“, und die Schanze hatte niemand auf der Rechnung. Aber sonst ist alles ziemlich gleich geblieben. Übrigens auch, dass uns schon damals ein paar „Alte“ erzählten, dass sie einst selbst mit großer Wohnungsnot gekämpft hatten und dass sich gewiss eine Lösung finden werde. Wirklich hören wollten wir das nicht. Verstehen Sie diese Glosse also bitte als Aufmunterung. Denn von denen, die damals in den Schlangen standen, haben letztlich doch alle eine Bleibe gefunden. Manche sogar ihre Traumwohnung.