Diese Meldung dürfte unsere bayerischen Landsleute ernüchtern: Denn ausgerechnet kurz vorm Ende „ihres“ Oktoberfestes auf der Münchner Theresienwiese wurde jetzt auf einem privaten Flohmarkt im Fritz-Flinte-Ring im Stadtteil Steilshoop ein unbekanntes Gedicht des Lyrikers und Journalisten Matthias Claudius (1740–1815) entdeckt, dessen Zeilen nach Ansicht von Historikern der untrügliche Beweis dafür sind, dass die sogenannte „Wiesn“ in Wahrheit von Wandsbek aus ihren Siegeszug über den gesamten Erdball angetreten hat. So heißt es in der ersten Strophe: „Das Fass ist angestochen, der Zecher kommt gekrochen, der Glaskrug hell und klar; der Wirt zapft voll und schweiget, und aus dem Fette steiget, der Duft nach Haxe wunderbar.“

Das Gerücht, dass es sich beim Münchner Pendant bloß um eine Kopie der „Wandsbeker Wiesn“ handeln würde, schwelt schon lange. Doch für viele der stolzen Wandsbeker, die weltweit zu Unrecht als zurückhaltende Feier-Tiere verunglimpft wurden, bedeutet dieser sensationelle Lyrik-Fund, dass am Ende manchmal eben doch die Gerechtigkeit siegt. Die Historiker verweisen in diesem Zusammenhang auf das Groß-Hamburg-Gesetz aus dem Jahre 1937, als Wandsbek dem heutigen Schleswig-Holstein brutal entrissen wurde und seine fröhlichen, schuhplattelnden Bewohner sich plötzlich mit hanseatischer Steifheit und Zurückhaltung konfrontiert sahen. In jenem Schicksalsjahr, so erinnern sich noch lebende Zeitzeugen, hätte es im Wiesn-Festzelt an der Marktstraße erstmals mehr stehende als liegende Gäste gegeben, und nur ein Jahr später wären bereits die traditionellen Gamsbärte, Krachledernen und Dirndl durch Elbsegler, Veddelhosen und Finkenwerder Fischerhemden ersetzt worden. Nicht wenige Wandsbeker wanderten damals frustriert in die bayerische Metropole aus, wo sie von den weltoffenen Münchnern begeistert empfangen wurden. So heißt es heute nur dank der Wandsbeker Wiesn-Emigranten an der Isar: „Der Krug geht so lange zum Mund, bis er bricht.“