Sind die Servicekräfte zu doof, um Wörter wie „Schnitzel Wiener Art“, „Matjes“ oder „Currywurst“ und „Apfelschorle“ zu verarbeiten? Wohl kaum.

Haben auch Sie am vergangenen Wochenende in Ihrem bevorzugten Ausflugsrestaurant mal wieder viel zu lange auf Speisen und Getränke warten müssen? Haben Sie sich vielleicht darüber gewundert, dass trotz einer voll besetzten Terrasse bloß zwei, vielleicht gerade mal drei Servicekräfte im Einsatz waren? Und haben Sie daraufhin auch im Stillen gedacht, dass Deutschland – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – eine Servicewüste sei?

Sie haben recht: Die deutsche Gas­tronomie sucht zurzeit tatsächlich händeringend nach Arbeitskräften im Service, denn diesen Job will kaum jemand mehr machen. Arbeitspsychologen haben jetzt jedoch herausgefunden, dass dies weder an den sozial unverträglichen Arbeitszeiten noch an der körperlichen Anstrengung liegt. Nein, der wahre Grund für die wachsende Unbeliebtheit dieses ehrbaren Berufs sind die Gäste selbst, genauer: der Restaurantfinger und die psychologischen, weil traumatischen Folgen.

Es muss sich dabei, sagen diese Experten, um ein genetisch bedingtes Phänomen handeln: Denn etwa 82,4 Prozent aller Gäste bringen mit Betreten einer Gaststätte ihren rechten Zeigefinger sofort in eine ausgestreckte Stellung. Von jetzt an befindet er (der Finger) sich im Dauereinsatz: Er zeigt genüsslich auf die freien, zur Verfügung stehenden Tische, er fährt beim Bestellen an den einzelnen Menüpunkten der Speisenkarte entlang (als ob Servicekräfte zu doof seien, Wörter wie „Schnitzel Wiener Art“, „Matjes“ oder „Currywurst“ und „Apfelschorle“ akustisch zu verarbeiten); der Finger deutet ebenso aufgeregt wie ununterbrochen auf Speisen, die an den Nachbartischen serviert oder am eigenen Tisch vorbeigetragen werden, und wenn dann noch etwas bestellt oder bezahlt werden soll, schnellt er signalgebend in die Höhe, was den Gast zu einem streberhaften Erstklässler mutieren lässt, der unbedingt einen Beitrag zum Unterricht leisten will.

Bei dieser Gelegenheit kann es sogar passieren, dass der Restaurantfinger aufgeregt schnippt! Wenn es jedoch ums Trinkgeld geht, versteift sich der nimmermüde Geselle wieder und kriegt dann häufig keine einzige Münze aus dem Portemonnaie zu fassen. Eine Pause gönnt der Zeigefinger sich übrigens nur, wenn der Griff ans Weinglas geht: Dann nämlich übernimmt der kleine Finger, so abgespreizt wie möglich, seinen Job.