Es bleibt nicht aus, dass auch Sie Post bekommen, und zwar leider viel zu häufig von wildfremden Menschen oder unbeliebten Institutionen oder von wildfremden Menschen, die in diesen unbeliebten Institutionen arbeiten und Ihnen Sachverhalte mitteilen möchten, die Sie gar nicht wissen wollen. Das ist zumeist dann der Fall, wenn die Briefumschläge ein durchsichtiges Adressfenster besitzen und von grauer oder von schlammgrüner Farbe sind. Wenn sie also förmlich nach Behörde – vor allem nach Finanzamt – riechen. Und wenn das eigentliche Schreiben dann auch noch mit „Sehr geehrte Frau …/sehr geehrter Herr …“ beginnt, möchte man in den seltensten Fällen weiterlesen, nicht wahr?

    Andererseits: Würden Sie es wirklich angenehmer finden, wenn die selbstverständlich viel zu hohe und garantiert unverschämte Nachzahlungsforderung mit den Worten „Liebe Steuerzahlerin …/lieber Steuerzahler …“ begänne?

    Nein. Sie würden sich garantiert veräppelt fühlen. Sehen Sie, und genau deswegen haben sich – auch dank des stetig zunehmenden E-Mail-Verkehrs – in der jüngeren Vergangenheit einige superlässige, persönliche Anreden durchgesetzt, die Ihnen sofort signalisieren, was Sie von dem betreffenden Schreiben inhaltlich erwarten dürfen.

    Das betont eloquente „Guten Tag, Frau/Herr …“ weist zum Beispiel in der Regel auf einen Versuch hin, Ihnen eine Versicherungspolice gleich welcher Art verkaufen zu wollen. „Guten Morgen, Frau/Herr …“ klingt noch dynamischer und signalisiert, dass der Absender ein ausgeschlafener Zeitgenosse ist, der Ihnen allerdings auch bloß was andrehen will. Beginnt ein Schreiben jedoch mit einem kumpelhaften „Hallo, Frau/Herr …“ oder gar einem „Hey … (Ikea-Deutsch: „Hej“), sollten Sie besonders misstrauisch sein, denn so viele Freunde hat kein Mensch. Wenn Ihnen dagegen das international gebräuchliche „Hi …“ entgegengeschleudert wird, dürfen Sie sich zu Recht freuen: Denn es folgt nun entweder das Liebesversprechen einer kirgisischen Schönheit, auf das Sie schon so lange gewartet haben, oder die Bestätigung, dass Ihnen der nigerianische Onkel Ihrer Mutter 15 Millionen Dollar vererbt hat.

    Tja, und jetzt wissen Sie auch, warum wir hier in Hamburg so gerne „Moin“ sagen, aber eben auch schreiben. „Moin“ passt irgendwie immer. Damit macht man einfach nix verkehrt.