Nein, ich hatte keine Karte. Nicht, dass ich AC/DC nicht verehren würde (ich tue es seit Jahrzehnten), aber Stadionkonzerte sind nicht so meins. Und Axl Rose – nun, das muss auch nicht sein. Was aber sein muss, ist ein Rückblick. Denn wann immer ich AC/DC höre, muss ich an die Geschichte von damals denken. Auch wenn sie mir kaum einer glaubt. Doch jetzt ist es an der Zeit, sie zu erzählen (Sorry, Mama!)

    Es ist der 11. Dezember 1980. Die (mittlerweile abgerissene) Ernst-Merck-Halle ist ausverkauft – AC/DC auf Hells-Bells-Tour. Ich bin 13 Jahre alt und sollte eigentlich im Bett liegen. Mein Freund, er heißt auch Sven, ebenfalls. Doch da seine Mutter denkt, er übernachte bei mir (und umgekehrt), stehen wir vor der damals größten Messehalle. Auf unsere Jeans-Westen haben wir mit Edding „Bon Scott“ gemalt und fühlen uns sehr erwachsen.

    Wir gehen hinein: zwei schmächtige Zwerge, umgeben von breitschultrigen Riesen. Eine gewaltige Masse Fleisch, die wie eine Welle durch die Halle schwappt. Als die Strömung besonders heftig wird, trete ich einem der Riesen versehentlich auf die Füße. Es ist der Moment, in dem ich schlagartig lerne, was Angst bedeutet. Der Fleischberg erklärt wütend, dass ich nun „die Fresse dick“ bekommen werde. Ich bereite mich schon auf das Reich der Schmerzen vor, das ich gleich betreten werde – doch da geschieht das (ich kann es nicht anders nennen) Wunder.

    Ein Mann packt den Fleischberg und erklärt „den Kleinen“ für tabu. Erfolgreich! Ich schaue verwirrt meinen Schutzengel an – und kenne ihn. Ein entfernter Verwandter, den ich nur alle paar Jahre auf Familienfesten treffe. Und jetzt ist er hier, ausgerechnet an dieser kleinen Stelle in der riesigen Halle. „Du bleibst bei mir“, sagt er und grient mich an. Noch nie in meinem Leben war ich jemandem so dankbar. Kurz darauf ertönt die Glocke, und AC/DC beginnt das Konzert: mit „Hells Bells“. Ich bekomme eine Gänsehaut. Wie auch heute noch. Jedes Mal, wenn am Millerntor das Lied ertönt ...