Wenn Blicke töten könnten – dann lebten auch Kunden von öffentlichen Verkehrsmitteln in Hamburg extrem gefährlich. Mit flammender Wut in den Augen fixiert die Dame, ihre Einkäufe auf beiden Armen balancierend, den Fahrradfahrer. Dass der es wagt, schon um 17.58 Uhr, und damit geschlagene zwei Minuten vor der erlaubten Zeit, das Abteil der S-Bahn mit seinem Drahtesel zu kapern! Es spielt wohl keine Rolle, dass der Waggon bis auf einige wenige verstreute Fahrgäste nahezu leer ist und damit mehr als genug Platz für alle bietet. Man muss sich schließlich an die Regeln halten.

Ähnlich verhält es sich mit den beiden Jungen im Grundschulalter, die etwas übermütig um eine Haltestange kreisen. Der Bewegungsdrang der Kids behindert wirklich niemanden. Und doch werden sie mit bösen Blicken bedacht und in barschem Ton zum Stillstehen aufgefordert. Es geht immerhin ums Prinzip.

Aber es gibt dann doch Ausnahmen, bei denen auch der strengste Prinzipienreiter seine zarte Seite entdeckt und tatsächlich das Unkonforme toleriert. Eine Ausnahme heißt Minna und ist eine dunkelblonde Schönheit. Mit melancholischem Blick aus großen dunklen Augen schaut sie in die Runde, streckt sich hingebungsvoll – und versperrt den Weg. Doch als der Mann, der zu Minna gehört, sie auffordert, ihren Luxuskörper aus dem Gang zu entfernen, bekommt sie sofort Beistand. „Ich bitte Sie, nicht nötig“, flötet ausgerechnet die Dame mit den vielen Paketen, die eben noch missmutig dreingeschaut hatte. Mit einem langen Schritt überwindet sie das pelzige Hindernis und schaut noch mit einem liebevollem Ausdruck in den Augen zurück. Hündin Minna hat es geschafft. Wenn Blicke Herzen erweichen können ...