Spitzt die Ohren, Mieze, Carlo und Co.: Menschen lesen gepeinigten Vierbeinern vor. Wer das zum Wiehern findet, könnte einen Vogel haben.

Vorlesen beruhigt, das weiß jedes Kind. Einer vertrauten Stimme zu lauschen, tut dem Nachwuchs gut. Was bei Menschen funktioniert, klappt vielleicht auch bei Katzen, dachte sich jetzt ein Tierheim im US-Bundesstaat Pennsylvania. Und tatsächlich: Traumatisierte Stubentiger aus schlechter Haltung, die ihr Vertrauen in Zweibeiner verloren hatten, näherten sich nach und nach ihren Vorlesern.

Inzwischen gibt es in Deutschland ebenfalls Vorlesestunden für Katzen, auch im Hamburger Tierheim. Manchmal schlafen die Vierbeiner dabei allerdings ein – vielleicht war der Krimi nicht spannend genug. In diesem Fall reicht ein Eselsohr in der Buchseite, damit die Katze beim nächsten Mal inhaltlich den Anschluss findet.

Angesichts der beobachteten Wirkung auf Katzen lohnt es sich vielleicht, die Lesetherapie auszuweiten. Womöglich funktioniert sie auch beim ständig kläffenden Terrier des Nachbarn, und der Kleine verstummt nach ein paar Kapiteln vom blutrünstigen Hund von Baskerville. Auch für quakende Frösche, kreischende Papageien oder andere Haustiere, die nicht zur Ruhe kommen, lässt sich etwas Passendes finden. Bei Sensibelchen empfehlen sich Wohlfühlwerke aus der Märchenwelt, allen voran der gestiefelte Kater und die Bremer Stadtmusikanten.

Mindestens ebenso wichtig wie der tiertherapeutische Nutzen ist die Tatsache, dass junge Katzenvorleser das Lesen üben – das hat eine Universität in Boston wissenschaftlich bewiesen. Das internationale Freiwilligen-Netzwerk VoluNation empfiehlt Kindern, doch einmal beim örtlichen Tierheim nachzufragen, ob gerade ein Vorleser gegen Katzenjammer gesucht wird (in Hamburg wird das Ehrenamt allerdings nur an Erwachsene vergeben).

In München und anderswo hilft das Projekt „Lesehund“ Schülern mit Leseschwächen. Schließlich sehen die vierbeinigen Zuhörer über Stolperer oder falsch ausgesprochene Betonungen ganz ungerührt hinweg. Ermutigt durch solche Erfolgserlebnisse, wird aus einem Kind mit Leseschwierigkeiten am Ende noch ein Bücherwurm.