Landeswahlleiter korrigiert Fehler. Junger Politiker erfährt erst neun Tage nach Wahl von seinem Scheitern

Hamburg. Um die Aufstellung von Joachim Seeler für die Bürgerschaftswahl hat die SPD hart gerungen. Der Fondsmanager und Newcomer sollte nach der Vorstellung von Fraktionschef Andreas Dressel einen aussichtsreichen Listenplatz erhalten, damit dieser seine wirtschaftspolitische Kompetenz in die Bürgerschaft einbringt. Doch mit dem vorläufigen Endergebnis stand fest, dass der Listenplatz 15 für den entfernten Verwandten von HSV-Legende Uwe Seeler nicht reichen würde. Dass es sich aber immer lohnt, das amtliche Endergebnis abzuwarten, wird sich an diesem Freitag zeigen. Dann nämlich wird offiziell bekannt gegeben, dass Seeler es doch in die Bürgerschaft geschafft hat. Er verdrängt damit Juso-Vize Steven von Bargen von seinem bis dahin sicher geglaubten Sitz in der Bürgerschaft.

Die Enttäuschung bei von Bargen ist groß. „So eine Nachricht haut einem erst einmal die Beine weg“, sagte der Juso. „Es hat viele Gratulanten gegeben. Ich hab mir schon Gedanken gemacht, wo ich mein Büro aufmache, mit welchem Mitarbeiter ich zusammenarbeite, weil so etwas ja zügig entschieden werden muss.“ Er hätte lieber noch am Wahlabend oder am Tag danach dieses Ergebnis erfahren und nicht erst zehn Tage später. Dennoch sei er bis zum Schluss skeptisch geblieben. Von Bargen hatte bis dahin nur fünf Stimmen Vorsprung vor Seeler gehabt. Die Nachprüfung der Ergebnisse sieht ihn nun aber elf Stimmen hinter Seeler. Das hat die komplizierte Landeslisten-Arithmetik komplett durcheinandergebracht.

Während von Bargen das Ergebnis verarbeiten muss, ist der Jubel bei Olaf Steinbiß groß. „Es war ein Höllenritt in den vergangenen Tagen.“ Er sei nun froh, von Anfang an dabei zu sein. Schließlich rückte er schon zweimal während einer Legislaturperiode nach. Steinbiß kommt nun gleich zu Beginn in die Bürgerschaft, weil Joachim Seeler es über die Persönlichkeitsstimmen schafft und auf diese Weise Platz für einen Nachrücker von der Landesliste macht. Weil Olaf Scholz, Peter Tschentscher und Dorothee Stapelfeldt im Senat bleiben und deshalb auf ihr Mandat verzichten, rücken drei Kandidaten über die Landesliste nach. Bitter für von Bargen: Auch Seeler wäre auf diese Weise nachgerückt. Nun schafft er es aber direkt.

Grund für die Rochade sind Auszählungs- und Dokumentationsfehler, die nun bei der gesetzlich vorgeschriebenen Nachprüfung ermittelt wurden. So haben Wahlhelfer in einigen Lokalen Wahlzettel gezählt, die überhaupt nicht benutzt worden sind. Oder es wurden gültige Stimmen als gültige Stimmzettel gezählt. Es wurde auch festgestellt, dass bei der ersten Auszählung offenbar zu streng vorgegangen wurde. So wurden Stimmzettel für ungültig erklärt, wenn Kreuze beispielsweise unklar verteilt waren.

Die Gesichter der neuen Bürgerschaft

Jeder dieser Fehler hat unterschiedliche Konsequenzen. Die Wahlbeteiligung sank um 0,4 Prozentpunkte auf 56,5 Prozent. Immerhin haben die Prüfer mit 20.648 eine geringere Zahl von ungültigen Stimmzetteln festgestellt. Die Quote sank damit von drei auf 2,8 Prozent. Und das Ergebnis der SPD wird von 45,7 Prozent auf 45,6 Prozent korrigiert.

Große Aufregung gab es zuletzt bei der Bundestagswahl 2013. In der Wahlnacht hatte es Rechenfehler sowie Verwechslungen von Erst- und Zweitstimmen gegeben. Es stellte sich heraus, dass die Wahlbeteiligung zunächst um 0,7 Prozentpunkte zu niedrig angegeben worden war. Am Ende wurde sie auf 70,3 Prozent hoch gesetzt. Außerdem stieg die Zahl der gültigen Zweitstimmen um 9293. Das neue Hamburger Ergebnis sorgte im Zusammenspiel mit weiteren Nachzählungen in anderen Bundesländern dafür, dass die SPD einen zusätzlichen Sitz im Bundestag erhielt. Damals hatte offenbar Überforderung von Wahlvorständen zu den Ausfällen geführt. Einzelne Wahlvorstände hatten teilweise unplausible Ergebnisse an die Bezirke abgegeben. Einige hatten sich geweigert, noch einmal nachzuzählen oder seien einfach nicht mehr erreichbar gewesen, um Ungereimtheiten auszuräumen.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel ist zufrieden, dass er nun die Zusammensetzung seiner Mannschaft kennt, mit der er die kommenden fünf Jahre zusammenarbeitet. „Wir müssen aber nun auch alle gemeinsam überlegen, wie man die Zahl der ungültigen Stimmen reduziert.“ Und Steven von Bargen will sich von dem bitteren Erlebnis nicht abschrecken lassen. „So ist Politik. Das ist ein unsicheres Geschäft. Ich mache weiter.“