Ist der Lufthansa-Streik gerechtfertigt?

Wie hoch darf das Gehalt eines Lufthansa-Piloten sein? Darf er 100.000 Euro, 200.000 Euro oder gar noch mehr im Jahr verdienen? Und sind mehrere Hundert oder Tausend Euro Betriebsrente zu viel, zu wenig oder möglicherweise doch akzeptabel? Deutschland diskutiert hitzig. Nicht wenige halten Lufthansa-Piloten selbstverständlich für überbezahlt. Und nun wollen die Herren der Lüfte auch noch streiken!? Das Heer der Neider ist sich einig: Das ist inakzeptabel. Dabei ist das Streikrecht nicht nur im Grundgesetz verankert. Die Neiddebatte gegen die Beschäftigten im Lufthansa-Cockpit ist auch abseits von Paragrafen mehr als absurd.

Denn schaut man nur auf die Arbeitsleistung, die aus der eigenen Tasche bezahlte teure Ausbildung und die Verantwortung für Menschenleben, dann muss ein Lufthansa-Pilot sicherlich mehr Geld erhalten als zum Beispiel das Gros der derzeit für den HSV kickenden Fußballprofis. Bekommt er aber nicht. Eine gerechte Entlohnung kann es nicht geben. Denn wer soll bestimmen, was gerecht ist und was ungerecht? Vielleicht eine Ethikkommission, die sich alle drei Monate am Stammtisch trifft?

In Deutschland existiert ein weltweit anerkanntes Tarifrecht, an das sich Unternehmen und Beschäftigte zu halten haben. Und es gibt darüber hinaus das Recht auf die freie Ausgestaltung von Arbeitsverträgen. Auf diesen beiden Pfeilern der deutschen Lohnpolitik fußt auch die Bezahlung der Lufthansa-Piloten. Das Unternehmen hat mit dem Cockpitpersonal Verträge über Löhne und Betriebsrenten geschlossen, die großzügiger ausfielen als bei vielen anderen Fluggesellschaften. Weil die Lufthansa die besten der Besten haben wollte. Weil sie weltweit mit dem Slogan der sichersten Airline werben und Geld verdienen wollte. Nun hat der Konzern überraschend die Vereinbarungen zur Altersvorsorge aufgekündigt – und bei Lohnerhöhungen gibt es keinerlei Bewegung. Dagegen gehen die Piloten nun mit guten Argumenten vor. Der Streik wäre nicht notwendig gewesen, hätte die Lufthansa sich ein wenig kompromissbereiter gezeigt. Welcher Arbeitnehmer würde sich nicht wehren, wenn es an den eigenen Geldbeutel geht?

Zudem zählt die Lufthansa derzeit nicht wirklich zu den darbenden Konzernen in Deutschland. Der operative Gewinn ist 2013 ohne Sondereffekte um 62 Prozent auf fast eine Milliarde Euro gestiegen. Die Aktionäre bekommen sogar wieder eine Dividende. Und der Vorstand hat bereits angekündigt, dass dieses Ergebnis bis 2015 auf 2,65 Milliarden Euro steigen soll.

Der Autor leitet das Wirtschaftsressort beim Hamburger Abendblatt