Ist der Lufthansa-Streik gerechtfertigt?

Die Platte wird wieder und wieder aufgelegt, aber dadurch nicht besser. Gebetsmühlenartig tragen die Vertreter der Pilotengewerkschaft Cockpit in diesen Tagen ihre Argumente für den großen Lufthansa-Streik vor. Ein Eingriff in ihre Besitzstände, insbesondere bei der Altersvorsorgung, sei untragbar. Ein hohes Lohnplus müsse nach Jahren der Zurückhaltung nun einmal sein. Schließlich seien sie als Piloten ja verantwortlich für Hunderte von Menschenleben und bis zu 250 Millionen Euro teure Flugzeuge. Außerdem würden andere ja noch viel mehr verdienen. Topmanager zum Beispiel. Gern wird dies untermalt mit Klagen über den ach so großen deutschen Neid.

Die aktuelle Diskussion zeigt vor allem eins: Die Herren der Lüfte haben die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt. Während ihr Arbeitgeber mit dem Sparprogramm Score gegen die Attacken von Billig-Airlines kämpft, kleben sie an ihren Privilegien, etwa an einer überaus luxuriösen Altersversorgung, die ihnen einen freiwilligen Abschied mit 55 Jahren mit 60 Prozent ihrer Bezüge versüßt, sowie späteren Betriebsrenten von bis zu 3800 Euro im Monat. Ausgerechnet eine Berufsgruppe mit Salären von bis zu 250.000 Euro im Jahr ist nicht bereit, sich selbst eine entsprechende Altersvorsorge aufzubauen.

Wohlgemerkt: Streikrecht ist ein Grundrecht in Deutschland. Und auch wenn jeder verpasste Geschäftstermin oder Urlaubstag bitter ist, muss ein freies Land einen solchen Arbeitskampf aushalten können. Aber bitte nicht mit dem peinlichen Verweis auf die große Verantwortung – jede Krankenschwester, jeder Busfahrer, jeder Lokomotivführer, die allesamt nur einen Bruchteil verdienen, setzt mit Fehlern Menschenleben aufs Spiel. Und bitte auch nicht mit dem heuchlerischen Vergleich zu den Gehältern von DAX-Vorständen oder Fußballprofis. Ja, VW-Chef Martin Winterkorn oder Bayern-Superstar Franck Ribéry kassieren ein Vielfaches. Aber ihnen würde nicht im Traum einfallen, sich einen gewerkschaftlichen „Streik“-Button ans Revers oder Trikot zu heften, um ein noch höheres Salär oder den Erhalt ihrer Altersversorgung herauszuschlagen.

Nein, mit Neid hat die aktuelle Debatte überhaupt nichts zu tun. Gäbe es wirklich Missgunst gegenüber Piloten, wäre ihr Ansehen gerade in Deutschland nicht so groß. Und selbstverständlich dürfen sie auch streiken, gar keine Frage. Aber dann sollen sie ehrlich sagen, worum es ihnen geht. Um die Verteidigung ihrer Besitzstände, ihrer Pfründe. Und um nichts anderes.

Der Autor leitet die Sportredaktion beim Hamburger Abendblatt